LEDER MEID…
hier kannst du fragen, hier erfährst du, wo‘s langgeht, hier kannst du schauen, kaufen, dich treffen, kaffeetrinken, arbeiten und am ende auch ausruhen. junge menschen haben hier einen arbeitsplatz für die zeit der documenta 14, helfen dir, geben auskunft, schicken dich in die richtige richtung, haben geduld und ein offenes ohr.
hier bekommst du bücher, plakate, tagebücher – leere und beschriebene – mützen, socken, taschen und was du sonst noch so brauchst, um die d14 nicht leer zu bewältigen.
erst komme ich mit h. ins gespräch, er ist designer, hat hier an der uni studiert – und dann mit arash shahali und hannes benn. sie unterstützen die d14 und das sieht gut aus. hier war bis vor kurzem die firma LEDER MEID. die räume bergen erinnerungen tiefster art. hier hat mir anna elisabeth, meine mutter, einen ledermantel mit gewachsenem fell gekauft – zwei tage nach dem tod ihres mannes, meinem vater. sie sagte, das sei der schönste tag in ihrem leben. nun hatte sie eigenes geld, konnte damit machen, was sie wollte. den mantel hab ich so gut wie nie angehabt. in der schweiz hätten sie mich erschlagen. anna elisabeth war so glücklich, dass ich ihr den wunsch nicht abschlagen konnte…
nun sind die räume dieselben, aber doch so ganz anders. großzügig, hell, farblich einladend – jetzträume – keine erinnerungsstätte und vor allem – jetzt schon mit leben gefüllt. ich bemerke es zum glück, bin nicht blind in meinem gedenken – und oben – da haben sie eine schöne sicht – sagt die junge frau.
nicht nur eine schöne sicht, es zeigt mir das parthenon in ganz anderer sichtweise, und der regen perlt und schmückt.
der große helle raum hat schon jetzt eine gute atmosphäre, ist erfüllt von regen gesprächen und scherzen und lachen und voller hoffnung auf ein gutes gelingen der sicher einmaligen 100 documentatagen.
lieb liebe RosaDora
von deiner mutter anna elisabeth weiss ich, dass ihr die schönheit
viel bedeutete – die geschichte, dass sie vom ersten freien geld sich
den schönsten tag ihres lebens geschaffen hat, indem sie dir einen
„wärmenden soliden wunderschönen lederpelzmantel gekauft hat ..
…. da horche ich auf – schönheit war für deiner mutter ein umfäng-
licher wert – im grunde ihres lebens sogar was tröstliches : darum jetzt
das gedicht von rose ausländer = im duft des maierislis, des maiglöck-
leins lese ich die letzte strophe – für mich alte frau ein hinweis
– Ja es ist Zeit sich zu öffnen
allen ein Freund zu sein
das Leben zu rühmen
(Rose Ausländer) –
also hoffe ich, du kannst die erinnerungen an ihren besten ort stellen –
und in diesem offenen sinne auch die eröffnung des informations-
zentrums für dich sehen – du hast auch die wundersame gabe des
sprachlichen ausdrucks – gibt es ein abonnement für den eintritt? –
da kannst du dich äussern und einbringen – erlaube mir diese vor-
stellung – es geht jetzt nicht um ehre und etc – aber du hast viel zu
sagen – wer von all denen hat wie du alle documentas erlebt ??
mein alltag ruft – herzinnig – rosmarie