DAS GEDÄCHTNIS DES WALDES…

vielleicht: ES WAR EINMAL EIN BAUM
MEIN BAUM GANZ 2008_P101014023. MAI 2010
er imponierte mir, weil er sich so viele verschiedene ausbuchtungen und muster hat einfallen lassen. ich war dabei, die URWALDWESEN für mein buch DIE DUNKLE SCHÖNE UND IHRE URWALDWESEN zu sammeln. vielleicht wusste ich zu der zeit noch nicht einmal, dass ich sie – diese wesen – für mein buch sammeln würde.
bei diesem baum staunte ich nur über die vielfältigkeit seiner einfälle, nicht einmal in erwägung ziehend, dass er damit krank und zum verfall verurteilt war. für mich war er einzigartig, aus der reihe tanzend und irgendwie besonders. er schenkte mir viele bilder seines wesens, ohne dass ich mir über die einmaligkeit bewußt gewesen wäre. so ein dicker baum steht doch ewig, dachte ich oder vielleicht nicht einmal das.
URWALD_MEIN BAUM_08.04.2016_P1450747irgendwann war er einfach umgefallen, ohne dass ich den genauen zeitpunkt nennen könnte. auch brachte ich den umgefallenen nicht gleich mit ihm in verbindung. als ich es dann registrierte, machte mich das sehr traurig.
ich begann ihn zu besuchen, wieder und immer wieder, wollte ihn begleiten in der phase des vergehens.

URWALD_MEIN BAUM_08.04.2016_II_P1440550das tue ich nun schon in unregelmäßigen abständen seit 6 jahren. minutiös registriere ich seine veränderungen. seine dicke rinde läßt sich immer wieder neues einfallen – pilze, moos, gras und andere pflänzchen nisten sich bei ihm ein, sozusagen untermieter, und scheinen sich wohl zu fühlen. und er, der baum, die eiche, gibt ihnen die erforderlichen nährstoffe und dazu eine gute aussicht. sie bilden eine gemeinschaft – er im gehen – sie im kommen. jahr für jahr geht das jetzt schon so.

URWALD_MEIN BAUM_BRENNNESSEL_P1470221 URWALD_MEIN BAUM_PFLANZENBOGEN_P1490321

das innen wird immer weniger. eine humusschicht hat sich gebildet, verflüchtigt sich. jetzt kann ich durch ihn hindurchsehen. letztens hat er mich so gelockt, dass ich durch ihn hindurch gekrochen bin. das war nicht ganz einfach mit meinen schmerzenden hüften. die beinen machten mitten in diesem unterfangen schlapp. erinnerungen stiegen auf, dass ich einmal geschrieben habe, dass ich hier sterben möchte. als ich nun so eingeklemmt feststeckte, flehte ich, aber jetzt noch nicht… und er entließ mich aus seinen fängen. eine initiation besonderer art.

URWALD_MEIN BAUM_ROSADORA IM BAUM_P1480325wir haben eine ganz besondere beziehung. wenn ich zu ihm stelze durch den niedergefallenen adlerfarn – das ist nur über den winter und bis ins frühjahr hinein möglich  – ist mir das immer wie ein ganz wichtiger besuch und freude steigt in mir auf. schon jetzt habe ich angst, dass das einmal nicht mehr so sein könnte und mir mein gebrochenes herz zurück bleibt. aber wer weiß, vielleicht überlebt er mich ja auch…
die neugier, die ich an seinem dasein festmache, würde mir fehlen. immer hält er besonderheiten für mich bereit. sein rauhes äußeres beult mal aus, reckt sich in die höhe – und immer wieder anders.

URWALD_MEIN BAUM_DETAIL_I_P1490297 URWALD_MEIN BAUM_DETAIL_II_P1490293fabelwesen schaun mich an – plaudern geheimnisse aus. sie sind gesprächig – flüstern mir dinge ins öhrchen, von denen ich nur träumen kann. sie kennen mich schon mit meiner neugier. immer fällt ihnen etwas neues ein. es wird nie langweilig mit ihnen. sie freuen sich, wenn ich mich interessiert zeige – sie erzählen gern. mehr und mehr komme ich ihnen auf ihre schliche, was sie gar nicht stört. im gegenteil – sie setzen immer noch eine überraschung drauf. woher sie nur all diese eingebungen bekommen. ich habe so einen verdacht, aber ich kann völlig daneben liegen. sie sind so gewitzt und schlau obendrein. aus jeder lage wissen sie etwas zu machen, das erstaunt mich. zauberwesen sind sie – jedes auf seine art. ist das eine mal betrübt, lacht sich das andere ins hörnchen. hörnchen an hörnchen ergeben sie ein kunstvolles gebilde und mir ein schönes foto.URWALD_MEIN BAUM_HOHL_P1470165das wetter spielt eine nicht geringe rolle. bei regen schlagen die baumstammwesen       besondere kapriolen – dann ist das grün noch grüner, das moos bildet pölsterchen und auch die pflanzen recken sich in die höhe. im eingang, der mir fast erlaubt darin zu stehen, hat sich adlerfarn eine startposition erobert – baum und farn eine symbiose.
nun muß ich geduldig sein bis zum winter – erst dann komme ich wieder durch den welken und gebeugten farn hindurch zu meinem baum. er wird sich verändert haben und mir seine wintererlebnisse erzählen. ich kann es kaum erwarten.

4 thoughts on “DAS GEDÄCHTNIS DES WALDES…

  1. die tief traurige verrückte Leiche der Eiche — und ein zartes Menschlein davor.
    Aber traumhaft – der irre lebendige Baum — er stimmt aus 27 Indianer-Stämmen !

    ina

  2. Liebe Waldfrau Rosadora

    du selber Urwald
    du selber Blatt Stamm Wurzel
    du selber Grün Braun Grau
    belichtet beschattet
    gefasert gemustert gekrümmt
    du Erde du Baum

    Danke, Elsbeth

  3. er wird dich erwarten
    ob baum ob moos ob humus
    er erinnert sich
    wie du dich erinnerst
    in seinem inneren
    gefangen und wieder geboren
    zu sein
    er ist frei
    er lässt dir die freiheit
    seine kinder sind
    unzählig
    wahrscheinlich
    das ist treue
    ja

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