4 wochen vor weihnachten
ich bin mal wieder eine kurze zeit in kassel. auf die stadt und die umgebung will ich mich einstimmen, da es in zukunft wieder mein ständiger wohnsitz werden wird. durch den park bin ich schon gewandert, was noch viele male der fall sein wird, also ist nun die stadt dran.
ich parke in einem der einkaufsgalerien, deren namen ich immer verwechsele, weil sie zum teil erst nach meinem auswandern in die schweiz erbaut wurden und ich nur selten in die stadt gehe, wenn ich hier bin. citypoint könnte sein. ich möchte essen und frage zwei juge frauen, ob sie hier ein nettes lokal kennen. ‚nein, hier eher nichts.
in der königs-galerie sind einige möglichkeiten’. ich gehe dorthin, aber mich reizt nichts so recht. die athmosphäre ist mir auf ‚durchgang’, was ich nicht mag. ich erinnere mich an fernau, einem alten kasseler metzgerladen, wo es gute kochwurst gibt. die gibt es sonst nirgends so gut. aber ich sehe den laden mit fremder beschriftung – also, nichts mit kochwurst. wieder ein altes kasseler geschäft, in dem ich immer freundlich bedient wurde und nie ohne ein kurzes gespräch herausging, weniger. man kannte sich. das ist selten geworden.
zwischen ‚leffers’ und ‚….’, früher voepel, die verwitterte seitenwand zeugt noch davon, gähnt ein grosses loch, verbarrikadiert mit einer grossen schwarzen wand.
dahinter baulärm und ein reges getue. jemand erklärt mir – ‚da entsteht eine grosse einkaufsgalerie’. wie, noch eine. die anderen sind ja schon nicht ausgelastet und zum teil gähnend leer. gähnen und leere überall. was ist aus meinem alten kassel geworden (und was wird noch daraus werden. ich ahne schreckliches). die stadt fand ich noch nie schön. aber nun, aus dem abstand heraus betrachtet, ödet sie mich fast an. die nachkriegsbausünden werden mit neuzeitbausünden zu einer unerträglichen tatsache. wie soll diese stadt sich zu dem wandeln, was sie sein könnte. das ganze ‚theater’ findet auf dem friedrichs- und königsplatz statt.
trotz weihnachtsvorbereitungen ist die stadt nicht besonders stimmungsvoll.
das mag u. a. an der warmen temperatur liegen. mit der weihnachtsdekoration wird sparsam umgegangen. in zwei tagen beginnt der weihnachtsmarkt. die vorbereitungen sind in vollem gange.
mir fällt auf, dass die dunkel gekleideten menschen in dem sommerlich gestimmten novembertag wie störfaktoren wirken. mir fällt auch auf, dass sie für die bedürftigen, die sich hier und da niedergelassen haben, keinen blick übrig haben, geschweige denn mehr.
es gibt viele auf der erde hockende. eine frau wendet sich seitlich ab, dass sie die vorübergehenden nicht anschauen muss. wieviel scham muss sie da verbergen und wieviel überwindung muss es sie gekostet haben, diese möglichkeit zu wählen. ich rede kurz mit ihr und gebe ihr ein paar euro. sie schaut mich ungläubig an. das ist nun mir peinlich.
ich verweile hier und da. es ergeben sich gespräche. ein kasseler ehepaar, die auch nicht mehr hier wohnen, beobachten auch die veränderungen in der stadt und bei den menschen.
von der documenta und der nachtundnebelaktion mit der holztreppe des künstlers ….
auf dem königsplatz ist die rede.
ein mensch, der mit aufbauarbeiten der weihnachtsbuden beschäftigt ist, stellt mir eine leiter so, damit ich den weihnachtsmann über den roten sonnenschirmen auf mein foto kriege. auch hier kurzes hin und her und das erstaunen über das wahrgenommenwerden.
frau g., von der parfümerie douglas, sagt, ‚sie dürfen hier nicht fotografieren’. ‚warum, frage ich. ‚das ist eben so’. ich suche mit ihr das gespräch und sie redet vom neuen ladenschluss-gesetz und ihre empörung darüber, dass sie es schon jetzt nicht mehr geregelt kriegt mit der einteilung ihrer privaten und der geschäftszeit. ich wüsste eine lösung…
wir reden von der entwicklung der baulichen veränderungen in kassel, insbesondere von der, was die geschäfte betrifft und noch von anderem. eine kollegin schaut zu uns her und grüsst freundlich, statt zu mahnen, nun tu wieder was. das stimmt mich hoffnungsvoll, dass noch menschliche regungen bei aller hektik krümmeln. ich lächele zurück.
dass ich eigentlich über das vorweihnachtliche kassel schreiben wollte und dann etwas anderes daraus wurde, erstaunt mich nicht. es sind die eindrücklicheren beobachtungen, die geblieben sind und sich breit machten. auch gut.
also, erübrigt es sich auch ‚frohe weihnachten’ zu wünschen. die gibt es sowieso nicht…
Die gute Kochwurst gibt es heute in der Fleischerei Barthel
in der Wihelmsstraße / Ecke Obere Königsstraße
Der Fleischermeister Barthel hat bei Fernau die Kochwurst
hergestellt.