… SCHÖNE, SCHEUE SCHÖPFERSTUNDE…

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foto helena sarantidis

Nach einem völlig verregneten wochenende dann dies:
Ich sitze bei meinem kaffee, etwas wolkenverhangen beginnt der neue tag, die uhren sind auf ‚winterzeit’ umgestellt – nur meine nicht, da ist es schon acht uhr, statt sieben. Der zeitrhythmus ist mir eingeprägt, er lässt sich nicht einfach um eine stunde ‚verschieben’. Langsam nur werde ich ihn bezircen können.

Also, ich sitze schon eine weile beim kaffee, als – fast unerwartet, doch sehnlichst erhofft – die sonne aufgeht. Genau mir gegenüber. Nach einer sehr schlechten diagnose der ärzt/innen bei einer 15 jahre jüngeren bekannten erhebt sich in mir fast jubel darüber, der sonne zu begegnen und das am vorletzten tag im oktober. In mir singt es: ’ jeden morgen geht die sonne auf…’ und ich singe das lied leise für mich, lausche den worten – etwas sorgfältiger als sonst, kann ihnen nach, auch wenn mir ‚normalerweise’ die worte etwas zu pompös od. kitschig vorkommen. Den tränen nahe empfinde ich etwas wie ‚demut’ – ein heute kaum verwendetes wort und es zu erklären gelingt so gut wie nicht; nur die situation vermag es zu füllen, hat den mut dazu.

Das ‚wolkentor’ durchbrechen – wie es der sonne gelingt… Unser tor in den neuen tag aufzustossen ist sehr abhängig von sonne und wolken und weissen schleiern. Sie umschmeicheln uns, legen sich drückend auf uns oder schliessen uns völlig ab von der welt. Wir können uns oft dagegenstellen, aber nicht wirklich. Der rhythmus, in dem wir schwingen, macht uns schwindelig, wenn wir uns dauerhaft gegen etwas stellen, was uns geborgen umschliesst, ein teil von uns ist.
Nun ist auch noch ein strahlend blauer himmel über mir, wo es nach dem wetterbericht doch eigentlich regnen sollte.
Ich will den tag für mich als einen besonderen erleben…

Hermann Claudius

Jeden Morgen geht die Sonne auf
In der Wälder wundersamer Runde.
Und die schöne, scheue Schöpferstunde,
Jeden Morgen nimmt sie ihren Lauf.

Jeden Morgen aus dem Wiesengrund
Heben weiße Schleier sich ins Licht,
Uns der Sonne Morgengang zu künden,
Ehe sie das Wolkentor durchbricht.

One thought on “… SCHÖNE, SCHEUE SCHÖPFERSTUNDE…

  1. Auch ich geniesse diese letzten Sonnenstrahlen, die mich in die Natur locken. In Gedanken wandere ich dem Seealpsee entlang, schon bald sind die Gipfel wieder weiss und es ist zum Wandern ist es zu kalt.

    Du schreibst von „Demut“, bei mir ist es auch Wehmut, dieses Herbstgefühl, das sich besonders an schönen Tagen so zu spüren ist, trotz des Wissens um den Frühling, der wieder kommen wird.

    Deine Texte bringen mich auf eine Ebene, die im Alltag zu kurz kommt.

    Margrit

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