INSEL MAINAU – 22. oktober 2006
diesen blick wünsche ich mir aus meinem zimmer, so verwunschen, so zauberhaft, so warm und erheiternd.
Die letzten oktobertage waren ein geschenk – sonnig und mich erwärmend und herauslockend. Gleich an zwei aufeinanderfolgenden tagen spielte ich ‚frederik’ – farben sammelnd für kältere tage.
In die rosenbeete zog es mich mit dem fotoapparat. Der spielte verrückt oder vielleicht war ich es auch in meiner euphorie. Dem morbiden auf der spur, das für herbst steht und das vergängliche. Ich wagte mich offensichtlich zu nah heran oder gar hinein, dass die bilder, die ich entdeckte, in unscharfen fotos sich widersetzten. Oft bewegen wir uns in der nicht gemässen entfernung – nähe oder distanz unterschätzend oder nicht wagend.
Das morbide erhält seine kraft von der unermüdlichen entstehung des neuen.
Das knospen, blühen und vergehen – alles in einem einzigen rosenstock – es erstaunt mich nicht nur, es macht mir den prozess des lebens und des sterbens so bildhaft deutlich. Und die schönheit in jeder stufe der entwicklung… die rose hat uns dies voraus.
IN HOHE BÄUME SEHEN…
Sich dem himmel entgegenstrecken, einziges bestreben,
wachsen, jahr um jahr, unirritiert – wer das könnte. energien einsammelnd und wieder verteilend, im ständigen austausch.
Immer wieder gehe ich zu den bäumen auf der insel mainau. bei meinen streifzügen richte ich es mir ein, dass ich an diesem mammutbaum jedesmal vorbei komme und jedesmal gehe ich zu ihm hin, bewundere ihn und staune, spreche mit ihm, nehme kontakt auf, indem ich mit meinen händen über seine rauhe haut fahre. Sehnsüchtig schaue ich in die höhe, möchte hoch und höher – wenigstens mit meinen gedanken – mir bewusst werdend, wie störanfällig, wieviel weniger dauernd mein körper ist. seine äste, sein lichtes grün umfangen mich, solange ich möchte. Seine lebenszeit übertrifft die meine um ein hundertfaches. Seine baumbiografie umfasst mehrere menschen-generationen. Er kann meine lebenszeit begleiten, ich jedoch nicht seine. Das macht uns zu unterschiedlichen institutionen. Könnte er leben deuten, seine übersicht wäre eine weit umfangreichere als die der menschen, seine einsichten in tiefen des lebens so viel gewissenhafter.
Immer wieder mache ich ein foto und das unterschiedliche licht bringt verschiedene bilder hervor. So nehme ich einen kleinen teil meiner empfindungen mit mir, erneuere sie jeweils mit dem betrachten der fotos.
Aber die sehnsüchte und das staunen hören nicht auf.
Ich nehme mich schmächtig aus gegen seinen enormen umfang – 14 m.
Die gehölze sind so ausgesucht, dass auch im herbst und winter ein immergrüner eindruck ensteht, die grünkraft ihre energien entfaltet.
Ich schlurfe durch feuchtes gras und atme, atme…
In der untergehenden sonne die dahlien in ihrem letzten brand. Farben – farben für den winter sammeln.
in regelmässigen stundenschlägen fordert sie die zeit ein, die mainau-kapelle, lässt hören, dass sie der mittelpunkt der blumeninsel sei. sie tut es hartnäckig, denn all die blumenpracht lockt und ruft immer neues staunen hervor. so schön umrahmt müsste sie genug der aufmerksamkeit verspüren und versöhnlich gestimmt sein…
wie ein zweites blühen im jahr nimmt sich der gingkobaum heraus, schickt sein leuchten dem herbst entgegen und uns. keine vergeblichkeit zu spüren und immer alles neu…
und dass wir nicht müde werden, immer leicht, immer da – wie die engel…