‚ja, sein lebenswandel ist wie ein traum, und seine erscheinung ist wie ein rätsel.’ (robert walser)
ein rätsel bleibt uns jeder mensch – aber robert walsers rätsel ist unauflösbar.
man ordnet sein werk ein, von bodenlos erfolglos bis literarisch und sprachlich bedeutsam. seine art zu schreiben bezeichnet man als skurril, faszinierend, modern und noch mehr. man erklärt ihn und sein leben, als könne man auf den grund sehen und verliert sich in vermutungen, zuschreibungen, mal sachlich, mal leichtsinnig, mal unverschämt – aber immer irgendwie augenfällig daneben.
als könnte man einen menschen wie robert walser in einen rahmen zwingen, wo es sein höchstes ziel war frei zu sein, im räumlichen, wie im denken. einer, der in den ‚abgründen der mutlosigkeit’ das ‚beste’ gewinnt – ‚sich selbst’. dem würde man auch heute noch misstrauen.
Schon vor seinem überwechseln in die heilanstalt waldau war seine leben kritisch. Das drückte sich auch seelisch und körperlich bei ihm aus. seine aussichtslose lage verweigert ihm die schrift, die schrift mit der feder. der bleistift wurde sein verbündeter. aber das brauchte niemand zu wissen. er schuf sich sein ‚bleistiftgebiet’ und gab keinem einblick. das war sein versteck, sein heimlicher winkel. er machte sich ganz klein, damit ihm niemand mehr folgen und verfolgen konnte. über 500 seiten beschrieb er. er nahm in kauf, dass ihn alle für einen spinner hielten. dieses bild musste er erfüllen, um einen klinikaufenthalt zu rechtfertigen. ob er es geplant und so angelegt hat. niemand weiss das.
in welch winzige räume sich einer verkriechen kann, um den anderen den zugriff zu verwehren…
sein ‚klosterleben’ in der herisauer heilanstalt kann man weder verstehen noch nachempfinden. wie er es selbst erlebte im tiefen innern, wie verletzt er sein und es dennoch ertragen musste, das ist nicht vorstellbar. Seitdem schrieb er keinen satz mehr. Trotzdem hat er sich nie aufgegeben. in der verweigerung des schreibens für die öffentlichkeit, die für ihn keinen menschenwürdigen platz bereit hielt, liegt stolz und hochachtung sich selbst gegenüber.
Carl seelig (vormund und literaturfreund) begleitet ihn ab jetzt hin und wieder auf seinen spaziergängen und hält diesen zeitraum in seinem buch ‚wanderungen mit robert walser’ fest. Er notiert darin viele gedanken robert walsers, die das bild des schriftstellers ergänzen.
sein, wie alle, das wollte robert walser nie. nie wollte er zu denen gehören, deren leben ‚auf sinnenlust und –kram fusst’, denen das ‚schöne immer fremd bleiben wird’ – ‚barbaren’, die ‚von kultur nur reden’, das ‚üben’ nicht üben und so nie den feinen schliff erhalten, der sie zu tiefsinnigeren und feinfühligeren menschen machen könnte.
seine mikrogramme, die man ursprünglich für eine geheimschrift, bestenfalls für grafische notationen hielt, erhalten heute höchste aufmerksamkeit. zu seinem 50sten todesjahr veranstaltet man auf der ganzen welt gedenkveranstaltungen. Die mikrogramme erhalten einen zentralen platz.
die welt da draussen – menschenbesiedelt war sie ihm suspekt. er liebte die natur. auf den langen spaziergängen lag er ihr zu füssen, verleibte sie sich ein, bis es sich zuletzt umkehrte.
Robert walser, ’der einsame wanderer, der durch kälte und schnee geht, immer weiter geht, vergeht, und doch ‚immer nach hause’ geht…’