‚es schneit, schneit, was vom himmel herunter mag, und es mag erkleckliches herunter.
das hört nicht auf, hat nicht anfang und nicht ende.
einen himmel gibt es nicht mehr, alles ist ein graues weisses schneien. eine luft gibt es auch nicht mehr, sie ist voll von schnee.
eine erde gibt es auch nicht mehr, sie ist mit schnee und wieder mit schnee zugedeckt.’
robert walser (1878-1956), schneien
und wie es schneit, und wie es schneit, die ganze zeit.
ja, ein bisschen schneien, ein paar schneeflocken, das stünde einem
5. april wohl an und zu, aber in der von robert walser beschriebenen weise und so zutreffend, das nimmt mir niemand ab, fällt unter die kategorie des aprilscherzens. es sieht zauberhaft weihnachtlich aus – mitten im frühling. aber die blumen und pflanzen und auch die bäume – sie habens gemerkt, vorausgeschaut, und sind nur zaghaft dabei, sich hervorzuwagen oder blütenhaft sich auszublättern. eine ganz zaghafte farbveränderung im unbestimmbarsten ton wagt der laubwald. die weiden sind dreister. ihnen sieht man die ungeduld am einströmen der gerbsäuren und gelb- oder rötlichfärbung ihrer zweigfinger an. die osterglocken waren zu vorwitzig, sie glaubten der sonne mit ihren wärmenden strahlen. nun neigt der schnee ihnen die köpfe auf den boden, eine demutshaltung, die den vorwitz straft, würde walser vielleicht sagen. es ist so schlecht vorauszusehen, so schlecht wie das wetter, was er hätte sagen könnte. er sah die dinge immer neu, mit jedem tag und mit immer neuen augen und füllt sie jeweils mit den verschiedensten empfindungen. das genaue hinhorchen, hinschauen und verweilen – wie ist uns das verlorengegangen, sonst müssten wir das doch merken, ich meine, dass alles immer neu ist, im neuen lichte gesehen werden kann oder müsste.
und warum sprechen wir dann von uns so, als würden wir alt und nicht mit jedem tag neu? unser körper wird alt, das ist aber auch schon alles. wir werden mit jedem tag neu geboren. wenn wir das berücksichtigen, oder dem altwerden entgegenhalten könnten, wäre unser los nicht so unerträglich, wie wir oft meinen. es liegt eine chance darin. neugeborenwerden – was für ein grosses geschenk. ein geschenk ist auch nur so wertvoll, wie wir es wertschätzen. wenn wir es in die ecke stellen, wird es versauern oder gar verschimmeln. geben wir ihm einen bedeutenden platz und befassen uns mit ihm, wird es an bedeutung gewinnen.
mit robert walser in den tag – auch wie ein neugeborenwerden…