DER ENTSCHLUSS…

portraits_rosa_pnorama0006_01_web_sola.jpg

das schloss zu kaufen
es steht noch nicht fest

morbides gebilde
das was lockt stösst auch ab
wald wasser wiese
einschmeichelndes ambiente
regen und sonne
sich unterscheidende bilder
jedes reizend auf seine art

das schloss
fantasmen der kindheit
fern jeglicher realität
ebenso wie gegenwärtig
schlossfantasien
schleichend und sich aufbäumend
einem drachen gleich

der schlossdrachen schläft
er wartet auf den kuss der fee
braucht viel energie
erwachenenergie
damit er sich zeigt
in ganzer grösse und schönheit
sollst seine gebieterin sein

schlossmauer in bestem zustand
die stufen zu hoch
der grösste raum zu weit nördlich
das licht verhindert
auf dem dach nisten vögel
die vögel – so klein und so gross
der ausschweifende umschwung reizt mich

zum kommen einladend der eingang
das innen herausnehmen
das innen dann aussen
umgreifend renovieren
architekten tun auch nichts anderes
der zeit anpassen
dem schloss seinen wert wiedergeben

der anblick nicht zumutbar
schon gar nicht der einblick
einblick gewähren wem und in was
das innere geheimsache
geheimnisvoll undurchsichtig
fremden augen verborgen
meinen augen eine weide

steg nach aussen zu schmal
darauf nach innen gelangen
unter ausschluss der öffentlichkeit
privateigentum
privatsphäre
na also
wer sind wir aber auch

postbote vorbeigefahren
wo er die post wohl ablädt
heute und später
kommt mit seinem rad nicht zum schloss
muss zu fuss laufen
der post tuts gut
ihm auch

das gehen beschwerlich
neue wege also
die richtung wechseln
den baum stutzen
licht ins seitliche zimmer
es ist wichtig das licht
der baum auch

mich entscheiden
es soll so bleiben
sparen angesagt
rechenschaft ablegen
dem baum und mir
ich verfüge später
hab’s schon getan

schlossfrau werden
steht in den sternen
denen wird’s recht sein
der zeit auch
wenn ich ihr zeit gebe
nach dem wasser schauen
unten am bach

brauche wasser
in guter qualität
ist ein unterschied
quellwasser oder bergwasser
wasser von unten von oben
ein unterschied wie himmel und erde

eisen im quellwasser
das ich nicht habe
müdigkeit
sie bringt mich um den genuss
des schönen besitzes
bergwasser vom himmel
wie es leicht ist und schwebt

fenster und türen
blindes glas
ohne durchsicht
die versäumnisse zu gross
schauen können
ohne sehen nichts durchblicken
nichts erkennen
gar nichts

verdeckte muster –
zauberbringende farben
mit blindheit beschlagen
eine welt täte sich auf
eine säuberung
von ehrlicher absicht
hier augenfällig

freude wirbelt frei
ein blick in ungeahnte welten
fantasien angeregt
loch in dreck gewischt
alte muster erahnen
erzählen geschichten
alte neue

kleine vorfreude
auf probe versuchsweise
mich täuschen
farbe in nichts aufgelöst
verputzte fantasien
für immer verhindert
ein schloss ohne fantasien

briefträger fragt
nach meinem namen
neugier in der stimme
wem die post bringen in zukunft
gewissenhaft und besorgt
post soll ankommen
absender unbekannt

das schloss noch nicht meines
muss er nicht wissen
benehme mich
als gehöre es mir schon
merke es nicht
wie sollte ich
zwischenzustand ‚noch nicht‘

ändere meinen namen
den nicht selbst gewählten
den mir aufgehalsten
vom ersten tage an namensschild am arm
kette – nicht wieder los geworden
einen eigenen namen
meiner wahl

sollte zufrieden sein mit meinem namen
gehöre zur familie
ich bin ich
nie tue ich was andere tun
weil man es tut
will nicht heissen wie sie
suche mir meinen namen selbst aus

wie mich nennen
will mich nicht nennen
werde sein ‚die rosadora‘
nachname – weiss ich noch nicht
aus dem was mir zugewachsen ist
erst wieder heraus um es anzuschauen
meinen lebensweg verdeutlichen

an bach nichts auszusetzen
würde hier an einem bach leben
von bäumen und einem park umgeben
so ausgefallen ist die idee nicht
mit bach mich anfreunden
ziehe bach in betracht
mit bezug zu meinem schloss

o a o a a
geht nicht – hörst du das nicht
fehlt ein o und ein weitere a
es kommt auf den klang an
ein mensch muss doch klingen
ein name muss ein lied sein – eine melodie
eine die man nie vergisst

den klang noch überdenken
o a o a a… o a o a o a a…
klingt besser als o a o a a
das doppelte erstaunen fehlt
doppeltes erstaunen am ende macht sich gut
mit offenem munde dastehn
genau das ist es

neugierig sein und bleiben
mit leise geöffnetem mund
mit weitaufgerissenen augen durch die welt
lauf doch – geh doch deiner wege
oder schreite – das ist dir angemessener
schlossfrau
rosadora oaa

will gehen habe genug gesehen
schlossfrau diese doppelte tragik
wieso schloss
es ist der platz der ort
nicht anstossen nicht anecken
auch ein schloss hat ecken
haben mehr abstand

die zeit dazwischen dehnt sich
die stösse werden seltener
gedanken können sich ausbreiten
starten zum flug von jedem zimmer aus
grosse fenster haben ihren reiz
gedankenflug wird nicht verhindert
im entfernten weiten und weiten

traumschlaf zeige meine bestimmung
die andere wirklichkeit der träume
lassen zu entdecken und entfernen wieder
bedenken tief wie aus einem dunklen see
meinen augen nicht trauen
das sehen und die träume verbinden
ein netz auslegen schauen ob’s trägt

das netz zerreisst
gleich in der ersten nacht
träume weiter in den tag hinein
keine klarheit
ist ein schloss auszuloten
möglichkeit und
verhinderung zugleich

räume gross dehnbar
die realität unterhalten heizen putzen
ein- und ausrichten
das ganze schloss
in seinem weitläufigen umschwung
umschwung sagt man hier
park würde mir besser gefallen

vorstellungen stossen an realitäten
diese an meine modalitäten
gärtner – für die bäume – für die rasenflächen
gärtnerinnen für blumenrabatten
für das was ich nicht sehe
vermischt sich
betäubt die sinne – tagtraum

kleiner zaunkönig hüpft vor die füsse
teile deine unbesorgtheit und leichtigkeit
bleib kleiner vogel
bleibst nur wo du erwünscht bist
einsamkeit wird gross sein in dem schloss
sie füllen mit leichtigkeit -nicht einfach
deine leichtigkeit ein anfang

futter für dich reichlich im park
futter streuen dich in meine nähe locken
mich mit dir vertraut machen
lieber kleiner zaunkönig
sei nicht traurig
dass ich noch nichts entschieden habe
lieber kleiner vogel

nein du kannst nicht traurig sein
weisst nichts von meinen plänen
machst dir keine vorstellungen
lebst immer im jetzt
glücklicher kleiner zaunkönig
der von dem kommenden nichts weiss
nicht vom tod – vom leben

leb flieg flieg wohin du willst
sei nicht vertrauensselig
sei auf der hut vor mir
flieg flieg flieg kleiner vogel
vöglein im hohen baum
klein ists man sieht es kaum
singt doch so schön…

ich sehe dich, kleines kleines vögelein
singst mir ein lied so fein
ein schloss für ein vöglein
ein vogelschloss – ein liederschloss
ein schloss für dich und mich
besonders
du und ich

etwas besonderes
die dinge nicht nehmen wie sie sind
ihnen einen zauber auferlegen
sie schmücken an jedem tag
das besondere selbst entscheiden
überraschungen anderer ausweichen
das allerbeste für dich und mich

apfelsinen brot milch und
achja vogelfutter aber welches
was frisst ein kleiner zaunkönig
muss nachschauen mich kundig machen
könnte ihn sonst umbringen
vögel sind schlau
fressen nichts was nicht gut für sie ist

war nachhause gegangen – ich rosadora
durch die einkaufsstrasse der kleinen stadt
nachhause im regen
viele menschen unterwegs im regen
verteilten sich auf die gehstreifen
stiessen mit ihren schirmen an
quetschten sich aneinander vorbei

autofrei die strasse
die mitte ganz frei
niemand betrat den freien raum
die macht der gewohnheit
ein auto unerwartet
ein blick irritierend
nicht erwidert

ging den rosenberg hoch ich rosadora
der bus gerade weg
wenige dinge in meiner tasche
tragschlaufe schnitt in meine schulter
nachher wieder kopfschmerzen
die kleinste last zu gross
und erst das schloss

mit einer hand bedeckst du dein gesicht.
die nacht ist in den tag getreten.‘ (edmond jabès)

warum ein schloss
es bewohnen und mich wieder trennen
die erfahrungen des besitzenmüssens und des wiederlassenkönnens
überall zu machen
das schloss von vollkommener belanglosigkeit
es entspricht
meiner momentanen vorstellungsmöglichkeit

das besitzenmüssen mein entscheid
auch das lassenkönnen
will ich es oder nicht
ob ich es kann eine andere frage
der wille stark
der wille schwach
jenachdem

einziehen oder nicht
das geht nicht einfach so
in nachvollziehbaren schritten
kann nicht einfach hier weg und dort hin
kommt einer trennung gleich
frage quält sich durch träume meine
der tag verstellt den blick

das treppengeländer freundlicher gestalten
das hinein- und hinausgehen
geste des empfangen- und entlassenwerdens
tag für tag nacht für nacht
nicht einmalig
immerwieder empfangen
immerwieder verabschiedet

jedesmal könnte ein letztes mal sein
rechnen mit der ewigkeit
sterbliche wir
ständig vergegenwärtigen
zu viel verlangt absurd
freiheit dem augen-blick
wo sehsinne versagen

nichtkonzentration
verstellt zugemüllt mit gedanken
glyzinien
dieses umschlingende rankeblau
zu kurz die blüte
weder schöne formen noch farben das laub
eiskalte winter nicht überstehen

die langblühende bougainville
die blüten üppiger als die blätter
überwachsen überwältigen mit ihrem rosenrosarot
hinein und hinaus unter urlaubsgirlanden
ein hauch urlaubslaune tag für tag
würde mir gefallen erheitert muntert auf
aufforderung geh aber komm wieder

die ganz unverfrorene erbärmlichkeit des entschlusses
das schloss zu kaufen wie sollte ich ihm entgegeneilen
sorgen ganz anderer art
aus dem schloss heraus betrachten sitze im käfig
jetzt noch von draussen schauen
frei wie der kleine zaunkönig könig ohne schloss
frei – flugfähig

sicher im schloss
gibt es einen sicheren ort
sind gefahren nicht überall
sind gefahren nicht in uns
überall sicher und nirgends
nicht sicherheit
freiheit

seit dem ich dieses schloss sah
geht es mir nicht aus dem kopf
alle überlegungen in diese richtung
verblendet nicht frei im denken
wirkt sich aus auf mein tun
immerfort abgelenkt
meine gedanken schlossgedanken

sie werden durchkreuzt
alle denkschienen gehen in eine richtung
wie in einem sackbahnhof geht es zu
ob ich schlafen gehe oder in den tag hinein
überall schlösser
im traum brechen alle über mir zusammen
liege zu unterst ein alptraum

ständig von diesem traum begleitet
der tagtraum schloss nicht realistischer
muss weg weit weg
schiebe den entschluss auf
frei von vorstellungen
schaue neu

augenwischerei
sag ja oder nein fliege dann wohin du willst
im falle ich sage nein
was soll ich dem kleinen vogel sagen meinem zaunkönig
sicher kommt der ohne mich aus
während ich mein herz an ihn hänge
er weiss schon jetzt nichts mehr von mir

das herz an etwas hängen
glücksmomente
begegnungen berühren mein herz
lösen sich auf in ihr gegenteil manchmal
gleich oder später
glück und unglück bedingen sich
mein vogel macht mich glücklich

wäre es mein glück
das schloss zu besitzen
ist der traum von einem schloss nicht das glück
heute muss es sentschieden werden
ein schloss oder kein schloss
ich will fort in aller ruhe
ich bleibe frei und ohne schloss

samarkant
die blaue stadt
blauen kuppeln und dächer unter blauem himmel
ob ich dort auch ein schloss finden könnte
bestimmt
wohin ich auch gehe immer ist da ein schloss
ein schloss wieso nur immer ein schloss

Clochard
mein erster gedanke
ein clochard könnte es gewesen sein
eine nacht oder zwei oder drei
wie oft er hier wohl genächtigt hat
hier im gärtnerhaus des schlosses
nacht für nacht – unbemerkt
.
hatte ihn bemerkt
werfe einen anderen blick auf das schloss
herumtreibergegend weit abgelegen
die etwas auf sich halten bevorzugen noblere unterkünfte
quartieren sich in einem schloss ein längere zeit
nicht heute hier morgen da
doch immer für ungewisse zeit

werde ihn fragen wie lange er bleiben will
wenn ich ihn zu gesicht bekomme
oder abwarten wann er weiterzieht
meinen entschluss
noch einmal überdenken
könnte mich mit ihm vertraut machen
ihn fragen ob er bleiben möchte

gegen entgeld für geleistete garten-
oder sonst anfallende arbeiten
clochards arbeiten nicht für andere
ist ihre philosophie nicht die
niemals abhängig zu werden
wenn er nicht arbeiten will ist es auch gut
wäre dann nicht so allein im schloss

ein zaunkönig ein clochard und eine künstlerin
ein dreigespann eigenartiger prägung
mir gefällts
habe mit ihm gesprochen
ist ein philosoph
braucht die zeit für sich und zum denken
hat noch nie etwas anderes getan

über was könnte er nachdenken
wenn er selbst noch nie etwas getan hat
alles theorie falsche schlüsse
zum glück denkt er ja nur für sich
schreibt er bücher
bücher die gedruckt und gelesen werden
das wäre fatal – die philosophie eines clochards

aber es gibt ja eine philosophie des nichts
wittgenstein – die philosophie des untätigseins
des körperlichen und der geistigen regsamkeit
es gibt viele unverständliches auf der welt
ohne akzeptiert zu werden
die philosophie der akzeptanz der toleranz
ein umfangreiches kapitel

mein philosoph
‚ein fremder mit einem kleinen buch unterm arm‘
ich bin neugierig auf dieses buch
dieses buch das so ganz anders scheint
als alle anderen es sein könnten
dem fremden unbekannten mich annähern…
spannendes unterfangen

das fremde immer auch in uns
das wovor wir angst haben in uns selbst
ist es nur angst
nicht auch ein bisschen überheblichkeit
das vermischt sich leicht
in der überheblichkeit steckt viel angst
ein angstversteck

bin ins schloss eingezogen
taste mich durch die räume
sie dehnen sich und geben geborgenheit
die leere der räume umgibt wie eine hülle
hält unbedacht gesprochenes vor der tür
windet sich um mich in schlaflosen nächten
das schloss mit leben erfüllt

die rahmen für deine nichtbilder sind da
jetzt können wir sie unter glas bringen
denkst du
dass gerahmte nichtbilder
meinen vorstellungen entsprechen
werden sie nicht vergewaltigt

finde eher
dass sie so gehalten werden
gehalten für den moment der betrachtung
dem sie sonst entfliehen könnten
so will ich es akzeptieren und das glas
es enthält die möglichkeit der spiegelung
und die sichtbarmachung des doppelbildes

stellt das nicht eine überforderung
der betrachterinnen und betrachter dar
jeder sieht nur was er ohnehin sieht
aber es gibt die chance darüber hinauszugehen
die möglichkeit
dass einem die augen geöffnet werden
in ungeahnter weise

das ist richtig überlegt
das wahrnehmen ist das eine
das bewusstwerden ein anderes
die bilder in blickhöhe hängen
habe ich gerade gelernt
auf die kunst
nicht herabblicken

unbedingt nicht
auf weise dinge nie
die kunst ist die weiseste unter den weisen
kunst vermag
was menschlichen bemühungen oft versagt bleibt
hinterfragen – verstehen – verbinden – erfreuen
weise

sokrosant – du bist der weiseste
weiser als alle kunst zusammen
schmeicheln gilt nicht
worte treffen nicht
prüfe ihren gehalt
lauschst meinen worten wie einer melodie
das birgt gefahren

ja ich weiss
worte bedienen sich der schmeichelei
trotzdem möchte ich sie aussprechen
du und ich die wissen darum
nur anschweigen
das wäre auch gelogen
gegen die natur der menschen

in der galerie mein clochard
empfängt die besucherinnen und besucher
sind zur vernissage gekommen
besitzt die unglaubliche fähigkeit
sie in die bilder hineinschauen zu lassen
sie vergessen wo sie sind
vergessen wer sie sind

eröffnet ihnen ungekannte einsichten
mit überdehntem suchendem blick
lauschen sie den geschichten
die aus den bildern sprechen
lautlos die wirkung der bilder
faszination pur
die schauenden überwältigt von sich selbst

wirklichkeit suchend kratzt einer am rahmen
vergewissert sich
dass er nicht in einem film mitspielt
tiefes aufatmen
erlösung beim gehen
zurück ins eigene gefängnis
die freiheit ein unaushaltbarer zu-stand

menschen kommen und gehen
manchmal bleibt einer
kommen zu sakrosankt
meinem philosophen
gehen mit ihm im park
folgen seinen worten
der gesang meines vögleins unvernommen

der himmel hätte nichts zu lachen
die menschen nichts worüber sie sinnen könnten
die geduld wäre am ende
die fantasie nähme reissaus
die gebetsmühlen wären angewiesen auf den wind der kommt und geht
verheissungen blieben unausgesprochen
hoffnung ein fremdwort ohne sakrosant

clochard philosoph
deine augen sind müde
ich küsse dir die füsse
bleib oder geh
und komm wieder
gute nacht
schlafe wohl

am gartenhaus wachsen die ersten rosen
mai-inbegriff
duftumwogt dein reich
den vögeln gefällts
rabenschwarz
maiengrün
dotterblumengelb und himmelblau

ich lerne von dir
du weißt es nicht
ich lasse mich in dein denken ein
deine fantasievollen gespräche
das geplapper der menschen mag ich so wenig wie du
die geld-, habenwollen-gespräche
denen die krankengeschichten folgen

gute luft umsäuselt mein gehirn
deine unaufdringliche weise lässt mich lauschen
keine forderungen – keine verbindlichkeiten
verbunden nur in gedanken
winden sich umeinander in die höhe
höhenflüge
nie gedachtes und beachtetes fällt uns zu

die ewigkeiten sind in diesem augenblick
wir haben zeit – du und ich
das verbindet
macht sie uns wertvoll
das leben leben – das leben das in uns ist
es gehört uns – nur uns
und niemand kann es uns nehmen

zaunkönigin flattert um uns herum
sagt – leben ohne mich ist kein leben
in dem geflatter erregte aufmerksamkeit
auch anspannung
in jedem moment davonfliegen zu müssen
sitzt auf dem zaun meine zaunkönigin
liegt auf der lauer mein vögelein

es fängt meine gedanken
lässt sie fliegen
lässt sie flüchten
mein clochard hat das grössere vertrauen
fliegt ihm auf den kopf
pickt ihm ins haar
an sein gedankengebäude

da fallen sie heraus
die wertvollen metaphern
er fügt sie zu monologen
die er nicht mit mir teilt
mit niemandem teilt
höchstens mit seinem vögelein
mal meines – mal seines

dunkel geworden
im schloss ist es kühl
mache feuer im kamin
die flammen beleben
züngeln faszinierende bilder
wärme des feuers umschmeichelt
macht schläfrig

clochard im gartenhaus
beruhigung auf abstand
die nacht teilen wir uns dennoch
nächtliche schlossgedanken
gartenhausgedanken
es ist nicht sicher
dass wir sie tauschen

ein traum der mich qäult
immerwieder
ich reisse mich heraus
schreie
bis ich den verstand verliere
töte den traum
sakrosant

an welchen ort gehst du in deinen träumen
verdammtnochmal
was kann dich so ohnmächtig werden lassen
mein vater sakrosankt mein vater
schick ihn zum teufel
zum teufel mit ihm verdammtnochmal
ich hasse ihn

ich auch sakrosankt
möchte ihn lieben können
wenigstens in meinen träumen
auch das verwehrt er mir
dieser sture verhinderer
dieser…
auch das

liegen nebeneinander
mein gesicht an seiner schulter
nein er ist kein mann
er ist mein philosoph
mein vertrauen in ihn lässt mich schlafen
erlöst mich von dem alptraum
bleib bei mir

als wir im park gehen
erzählt er mir seine ideen
für die nächste ausstellung
den nichtbildern
will er einen besonderen platz geben
nicht nur an den wänden
auch in seinem herzen

sie stehen für ihn
für freie betrachtensweise
für nichtbedrohliche ausblicke
für tiefe seelenblicke im besonderen
für den beweis
dass ich nichts ergreifen
nichts halten – nichts zerstören wolle

das sind selbst für mich
die malerin der bilder
neue interpetationen
sie schmeicheln mir
das gebe ich zu
ob ich weiterhin so unbefangen
bilder malen kann

woher nur hat er diese tiefen blicke
alles was er sieht beginnt zu leuchten
in einem besonderen licht
es ist noch hell um ihn
wenn es schon dunkel ist
er hat ein bild von der welt
wie sie sein könnte

wir sind phantasten
weißt du das
du und ich
wenn du das so siehst
er macht nicht die geringsten bemühungen
mich zu etwas anderem zu bewegen
wie ich das geniesse

manchmal
vermisse ich ein wenig das streitgespräch
vielleicht muss ich anders fragen
ich werde es versuchen
clochard philosoph
woher weißt du denn
ob es richtig ist wie wir leben
wie wir denken

rosadora
das ist keine gute frage
nichts ist richtig nichts ist falsch
es ist wie es ist
das ist aber auch keine gute antwort
sakrosankt
so antworten viele

warum sind wir uns begegnet
weil wir uns begegnen mussten
sag nicht auch noch
der zufall
in gewisser weise schon
was heisst denn in gewisser weise
wager geht es wohl nicht mehr

als du mit deinem vater hier warst
als du das schloss besichtigt hast
moment mal
nie war ich mit meinem vater hier
mit niemandem war ich hier
ich ganz ohne die anderen
nur ich

also
erzähl mir keine ungereimtheiten
nein tu ich nicht
dein vater war irgendwie dabei
du hast mit ihm gesprochen
hatte schon angst
du könntest das schloss nicht kaufen

es hörte sich an
als wenn er dir abraten wollte
mischte sich ein in fataler weise
verstand es nicht gleich
nach längerem hinhören war klar
dass du dich bemühen musstest
ihn los zu werden

wie du das gut siehst und ich dachte
er sei mit seinem tod von mir gewichen
da schleicht er sich in meine träume ein
seine destruktiven äusserungen seine missachtung
seine unfähigkeit zu lieben
können mir nun nichts mehr anhaben
ich habe sie mit ihm begraben

es geht nur noch um ihn
in meinen träumen will ich ihm die chance geben
wenn er sich nicht benimmt
fliegt er raus aus der traum
und bis du das geschafft hast
muss ich bei dir bleiben
dann werde ich es nie schaffen…

komm du weiser mann
lass uns den mai fangen
draussen ist auch drinnen
park ist park
ist mein park ist dein park
ob er auch unser park ist
ist nicht gewiss

der lerchensporn duftet
ich möchte mich in dem duft wälzen
tus doch
dann verwalze ich die ganzen blüten
sakrosankt
so eingewebt mit dir
bin ichs zufrieden

das ist der tag
an dem ich gezeugt wurde
unter freiem himmel und in liebe
auch wenn er später behauptete
mich hätte der esel im galopp verloren
du sprichst ja schon wieder von ihm
von deinem vater

naja es gab wohl eine zeit
da war er ein ganz anderer
er muss sich verändert haben
oder wie siehst du das
ob er ein anderer gewesen ist
es besteht die chance
die fotos könnten der beweis dafür sein

welche fotos
na die du mir von ihm gezeigt hast
(nie habe ich ihm fotos gezeigt
weiss der himmel wie weit sein weitblick reicht)
ein schöner mann war er – ob das ausreicht
ich hätte mich in ihn verlieben können
aber mit meinen heutigen erfahrungen
meinen erfahrungen mit ihm

ich war 60
als er mir erzählte
dass ich ein kind der liebe sei
so nebenbei
beim kaffeetrinken
und in einer begeisterung
als hätte er die zeit zurückgedreht
als wenn er die ganze lust nocheinmal erleben würde
er erzählte
dass es an einem teich war in der aue
bei schönstem wetter
in liebe gezeugt beteuerte er
fast strahlten seine augen
und meine mutter lachte laut
als wäre sie ein grosser spass gewesen
die liebe
oder nun daran zu denken
am 30. april ist er der liebe verfallen
hexensabbat
mein gott
wenn er das gewusst hätte
seine tochter
eine kleine hexe
von anfang an in den lüften schwebend
und der erde verhaftet
er wollte doch einen sohn
und ahnte die gefahr nicht im ansatz
immer sollte ich ein sohn sein
der später einmal seine firma übernahm
dabei hatte er nie eine eigene firma
nicht früher und nicht später
jedenfalls keine
die ich hätte übernehmen können
denn das hätte ich als hexentochter
wohl auch gekonnt
seine liebe
muss er dann in den kriegswirren
verloren haben
als er zurückkam
habe ich von liebe nichts spüren können
wenn man im krieg war
sagte er einmal zu meiner freundin
eine fremde für ihn
dann hat man da
wo andere ein herz haben
einen stein
er konnte nicht lieben
bis zu seinem tode nicht
er verstand nicht
verzieh nicht
liebte nicht
bis zuletzt
der tod stimmte ihn nicht gnädig

ich versuche gedanklich mich dorthin zu bewegen
wo er der liebe fähig war
mich in liebe ‚gemacht hat‘
wie er sagte
vielleicht hat er selbst darunter gelitten
diese liebe nicht wiederfinden zu können
ein kind der liebe
es sollte mich versöhnlich stimmen
es sollte auch….
es wird…..
es ist…..

anmerkung: sakrosant = unverletzlich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.