das licht, grosse faszination –
es folgt mir, ist um mich, verlässt mich.
es setzt den dingen einen glanz auf und nimmt ihn wieder. es ist sichtbar, wird deutlich. gedult und aufmerksamkeit spielen eine grosse rolle. immer wieder schauen, hinschauen, neues entdecken, mich neu entdecken.
immer besser verstehen, wie alles zusammenhängt – das leben mit dem tod.
schon oft war ich auf dem jüdischen friedhof im eichwäldchen. heute scheine ich neue augen zu haben. ich sehe, wie es mir bisher nicht möglich war. ich sehe neues, sehe bekannte dinge anders, in anderem licht.
zuerst fällt mir das licht auf, das kommen und gehen ist reizvoll. grün ist ungeheuerlich anfällig für lichtveränderungen, von sattem grün, über überschwenglich ins gleisen abrutschende grün bis hin zum dunkelsten dunkelgrün, ja schwarz wechselt es die farben.
die blumen, wer könnte vermuten, dass unter dem abgemähten rasen die zarten wildblumen sich als erstes wieder erholen und durchsetzen, also die blumen mögen nur ganz sanftes licht, sonst verschwinden ihre farben, verlieren ihre sattheit. wilder thymian duftet heute besonders verführerisch.
die verwandlungskünstlerin sonne spielt mit ihren möglichkeiten.
sie lässt ‚die drei’ spüren, wie es ist, so, ohne ihre anwesenheit,
oder so, von ihr erhellt.
in diesem teil des friedhofs entdecken ich, dass hier gräber in zweier-, dreier-, vierer-anordnung stehen. eins, zwei, drei, vier – im walzerrhythmus über den friedhof.
eins
zwei
drei
vier
säulen stehen immer einzeln. sie stehen für ein zu kurzes, abgebrochenes leben.
doppelt bestraft – oder etwa auserwählt – stehen sie nun einsam bis in alle ewigkeit.
geborstene grabplatten erhalten durch sprünge oder herausgefallene teile eine neue form. sie haben meine besondere aufmerksamkeit. deutlich zeigt sich die vergänglichkeit und dass aus dem, was war, etwas neues entsteht. die nun fast grafischen gebilde wirken auf mich wie karten, die den weiteren weg angeben.
abraham
thekla
anna (louis)
lina (joseph)
die steine sprechen zu mir, manche durch ihre gestalt, andere durch ihre aufschrift, wieder andere durch die wunderbaren verzierungen, die symbolbesetzten.
diese durchaus weibliche form – sie zeigt sich mir schwanger, beide hände auf die schultern aufgelegt. selbstbewusst steht sie da und abwartend. ich konnte nicht an ihr vorbei ohne sie zu sehen.
auch hier eine, für mich, weibliche gestalt, diesmal die arme angewinkelt und über den busen gelegt wie zu einer schutzgeste. fast segnet sie den ‚guten ort’ und die toten.
wie eine gestalt, ein kreuz auch oder ein blitz, der aus dem ‚stern’ hervorschnellt.
aufflammend, verbrennend und nicht schwindend.
die grabsymbole locken mich auf besondere weise.
stundenglas
kein typisches auf jüdischen grabsteinen
aber eines der stärksten.
urne
eiche
davidsstern
kugel
mir sonst noch nicht begegnet als jüd. Grabsymbol, aber leicht zu deuten
obelisk
säule, die in den himmel zeigt,
himmel, der bis auf die erde reicht…
das licht
zeichnet symbole auf besondere weise, sehr eindeutig und immer neu.
sie verabschiedet sich und kehrt wieder – die lichtverführerin…
fotos rosadora g. trümper tuschick
weitere fotos im archiv
damals durfte man noch schoene Grabsteine herrichten. Jetzt hier in Israel, speziell in Jerusalem, da ist alles fast nach einem bestimmten Standard. Da gibt es auch die Unterschiede zwischen den ganz religioesen Teilen, die kein Spielraum fuer irgendeine Aenderung lassen und die anderen, die ein klein wenig Abweichungen haben duerfen. Es ist auch alles sehr eng, denn der Platz ist rar und teuer.
Ich war nur auf ganz wenigen Friedhoefen in Deutschland, habe es eigentlich immer vermieden, bis meine Eltern starben. Heut bin ich dort gewohnt zum hingehen.
ja, das , was du standard nennst, habe ich auf einem neuen jüd. friedhof in der schweiz auch kennengelernt.
wirklich interessant sind nur die alten friedhöfe. die sagen eine menge über die kultur aus. das ist mein anliegen, die herauszufinden.
in kassel gibt es auch einen neuen friedhof. der ist weniger interessant. mit blumen und bepflanzt und so gar nicht nach jüdischer tradition.
danke, dass du hier warst
rosadora