wie die urwaldhexe zum PLATZHIRSCH wird – dem gehe ich auf die spur und werde es doch nie ganz erfassen.
vor jahren war sie für mich die urwaldhexe in meinem buch. und jedesmal, wenn ich in den urwald fuhr, bat ich sie um einlass, obgleich sie mir sagte, dass sie dafür nicht zuständig sei, es nicht in ihrer macht läge – so drückte sie es aus. es war mir ein bedürfnis, sie um einlass zu bitten – also, so ein stilles verneigen, um zu zeigen, dass es mir keine selbstverständlichkeit ist, einfach so in den urwald zu stolpern.
in all den jahren hat sie sich ganz in sich zurückgezogen, aber ich weiß, dass sie dennoch da ist. treu habe ich sie immer besucht und zusehen müssen, wie sie immer weniger wurde. aber das ist ja nur die äußere gestalt – das wesen bleibt mir in erinnerung.
an ihrer stelle hat sich jetzt ein platzhirsch breit gemascht. ein stück resthexe trägt er in seinem maul. ich mache mir gedanken, ob es fürsorge ist und er sie auf ihrem restweg beschützen will, oder ob er sie verschlucken wird.
ich verneige mich weiterhin und gebe der hexe die ehre.
so in weiß gekleidet ist es auch ein zwiespalt – ein hochzeitskleid – oder ein totengewand. es verkörpert beides – leben und sterben.
HEXENBAUM 2009