es gibt eine ‚träumerei des schreitenden menschen, eine träumerei des weges’ und ich könnte hinzufügen, eine träumerei des fotografierenden menschen. in kontakt mit den dingen sprechen sie zu ihm. sie sprechen aus ihren verschiedensten formen und so wir dem vollen wert beimessen, erreicht es uns in unseren tiefen. wir sind beglückt, uns in den bildern, die wir uns von den dingen machen, wiederzuerkennen. und wir erkennen dinge wieder, die uns in unserem tiefsten inneren anrühren. alten bildern neue hinzuzufügen heisst nicht, sie zu tilgen, sondern sie durch neue zu ergänzen, unsere sichtweisen und einbildungskräfte zu erweitern. es ist unvorhersehbar, was wir erblicken. auch wenn wir in uns bekannte gegenden laufen, sehen wir die dinge immer wieder neu. offenen auges und mit erwachender wahrnehmung verändert sich die uns bekannte welt. dadurch, dass etwas in uns anklingt und einen widerhall erzeugt, eignen wir es uns an. dieses anklingen verändert uns durch seine fülle.
formen und linien finden in mir einen starken anklang. henry moore, der mit seinen geschwungenen figuren 1964 auf der documenta starke denkanstösse lieferte, konnte mich mit seinen warmen, weichen linien auf anhieb begeistern. haptisches erleben war mir unter anderem vergönnt. über den kopf hätte ich nicht benennen können, was mich da so berührt. etwas erreichte mich in meinen tiefen. . c. g. jung könnte es mit seinem archetypischem festlegungen bestimmt benennen. ich fühlte mich hingezogen, hätte mich in die figuren hineinschmiegen können. nichts stiess mich ab, nichts richtete sich gegen mich.
gestern, beim anblick der skulptur vor dem gebäude der helvetia in st. gallen, klang dieses erleben wieder in mir an. ich vermutete henry moore.
runde und gerade wirkten miteinander. die skulptur zweigeteilt und doch als eine einzige erscheinend. sonne und schatten trieben ihr spiel. ich konnte nicht anders, ich musste zur kamera greifen und mich in das spiel mit einbringen. die leiseste veränderung meines standpunktes veränderte jedes neue bild. ich weiss nicht, was mich so berauscht, das neugewonnene
bild, oder das wiedererkennen.
jedes neue bild ist ein kreativer akt, in den ich hineinfalle. die bilder, die ich gemacht habe, sind nur ein bruchteil der bilder, die ich gesehen und in mich hineingenommen habe. beim späteren betrachten gehen begeisterung und enttäuschung ineinander – begeisterung für die festgehaltenen bilder und enttäuschung durch die nichtgemachten.
das wiedererkennen hallt nach, hält mich in der wirklichkeit. blockiert eine weile das weitersuchen und –blicken. erlangt so ein nachklingen und vertiefen, spielt sich ins zentrum, ins herz, in jenen kreuzpunkt, von dem aus alles ursprung und sinn erhält.
am nächsten tag erfrage ich den künstler der skulptur.
fredi thalmann – ein nicht sehr bekannter schweizer bildhauer.
immerhin vermochte er zu fesseln und zu berühren.