KUNST BLEIBT KUNST…

d14_DOCUMENTA HALLE_
guillermo galindo – fluchtzieleuropahavarieschallkörper 2017…
d14_DIC.HALLE_MUSIK BOOT SAITEN_P1670538lesbos, wo ich jahrelang meine kreistänze aufspielte und die musik mir noch in den ohren tönt.
hier tönt nichts. einer sagt, da müßte man jetzt drauf spielen können. finde ich auch. das würde die szene beleben, gäbe aktion unter den besucherinnen und besuchern. in kauf genommen, die instrumente würden dabei zerzaust, aber das wäre kunst – lebendige kunst.
als einer sogar in die saiten greift, springt eine aufsichtsperson heran – das dürfen sie nicht. was man alles so nicht darf – ein eigenes buch ergäbe das.

d14_DOC HALLE_BOOT III_01.092 d14_DOC HALLE_BOOT_P1650793ich beschließe, mir die bootsteile näher zu betrachten – schaut eine zu und sagt – sie machen kunst aus kunst. jaja, ich mache KUNST AUS KUNST. das ist die einzige möglichkeit, selbst in aktion zu treten, dem kunstgespenst näher zu kommen.

d14_DOC HALLE_BOOT_I_01.09 d14_DOC HALLE_BOOT_II_01.091es ergeben sich gespräche, ich schaue ein weiteres mal und ganz neu – und ich finde, dass die kunstprojekte schlecht, sehr schlecht ins licht gerückt sind. neuerlich, oder schon eine ganze weile, sind sonnenschutzmatten auf den scheiben angebracht. das nimmt das licht und die roten filzstränge von CECILIA VICUNA  hängen von der decke, wie nasse lumpen – schade. die inspiration ist futsch. warum kümmert sich nur niemand. ja um kunst muß man sich kümmern – sie kann es ja nicht selbst.

ERDE OHNE HIMMEL…

D14 FRIDERICIANUM – GEORGE HADJIMICHALIS, CROSSROAD

eine leere fläche – ich bin glücklich – ich mag leeres, das ich füllen kann – füllen mit meinen eigenen gedanken und fantasien.

d14_FRIDERICIANUM_SCHWARZER TISCH III_P1670289mehrmals besuche ich diesen schwarzen eisentisch. dann kommt es – ERDE OHNE HIMMEL. dass dann auch die erde fantasiert werden muß – oder wasser vielleicht – aus  kunstharz auf 9 stahlplatten – schmälert die fantasie erstmal nicht.

d14_fridericianum II_SCHWARZER TISCH_I_21.082erst laufe ich auf wattartigem untergrund – dann schwimme ich – lasse mich auch nicht davon abbringen, als ein mensch die geschichte erzählt, die dazu gehört.

d14_fridericianum II_SCHWARZER TISCH II_21.083ich sehe, was ich sehe – und es erweckt viele assoziationen zu meinen werken – etwa erden im kompostloch in der karlsaue – grundboden etwa im basaltsteinbruch, erden beim abbruch des zoll- und verladebahnhofs usw. usw. fantastische erinnerungsarbeit – mehr kann kunst nicht leisten…

EIN BAND AUS ALUMINIUMELEMENTEN…

ANNE GATHMANN… ST. ELISABETH KIRCHE…

„An einem geistigen, meditativen Ort meine Arbeit zu entwickeln reizt mich sehr. Besonders fasziniert mich die charakteristische Architektur des Kirchenraums. Sie
fordert mich heraus, die Vielfalt der wahrgenommenen Aspekte und Assoziationen in einer konzentrierten Figur zu fassen.“
ELISABETH KIRCHE_ANNE SCHROTHMANN_III_P1670203das band führt mich – zieht mich – lässt mich ihm mit den augen und meinen sinnen folgen längs durch den raum. traumwandlerisch gehe ich vorwärts, rückwärts – ich passe auf, dass es mich nicht aus der bahn wirft.

ELISABETH KIRCHE ANNE SCHROTHMANN_17.08ELISABETH KIRCHE _II_ANNE SCHROTHMANN_17.081aus dem sog befreie ich mich, verschaffe mir einen überblick von der empore.
das band teilt, trennt, hält zusammen fängt mich auf – der raum wird von dem band unterstützt in seiner schönen klarheit – schafft orientierung – die momente wechseln und die eindrücke ebenso.

d14_OBELISK SOLL NICHT BLEIBEN…

OBELISK – US-Künstlers Olu Oguibe…

symbollexikon opus magnum:
Seine Form stellt die Verbindung zwischen Erde (Menschen) und Himmel (Göttern) bzw. Sonne dar, er ist ein phallisches (Phallus) Symbol.
Er steht für männliche Zeugungskraft, Fruchtbarkeit und Erneuerung, für Potenz und Macht, sowie für die Aufwärts- und Höherentwicklung des Menschen zum Licht. Er kann auch als Weltachse (Achse) oder als Lebensbaum (Baum) gesehen werden.

wie ein zeigefinger zeigt der obelisk in den himmel – und die verbindung von der erde zum himmel, von den menschen zu einer gottheit, war er im alten ägypten. er verkam zum machtsymbol und rom raubte dieses mächtige steingebilde und viele herscher taten es ihm nach.

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dass er heute für flüchtlinge ein zeichen setzen soll, ist kaum zu verstehen – die verbindung zum ursprung ist schon lange abgerissen – eine entweihung sozusagen fand statt.
dass olu oquibe gleich zu beginn der documenta den bodepreis zugesprochen bekam, will ich gar nicht verstehn. niemand bekommt bei einem wettkampf seine medaille im vorherein… und mir leuchtet kein grund ein, weshalb olu einen preis bekommt, während andere wichtigere kunstwerke, so die verkleidung der torwache von ibrahim mahaba, außer acht gelassen werden. s. bericht auf meinem blog – www.rosadora.de.
die vorschläge für beste kunst kommen nicht etwa von den besucherinnen und besuchern – sie sind beeinflußt durch die meinung der hna und vielleicht auch der documenta leute, die gern sicher gehen wollen, dass überhaupt eine geschlossene meinung entsteht – beeinflußt sozusagen.
der obelisk soll nicht bleiben, angekauft werden, und schon gar nicht auf dem königsplatz stehen bleiben. der hat seine ganz eigene wichtige geschichte mit seiner 6 straßen sternausstrahlung, die ohnehin nicht genügend berücksichtigt wird – eben, weil sie nicht bekannt ist.

 

EIN JUTE-TEPPICH…

d14_IN DER HENSCHELHALLE – IBRAHIM MAHAMA – performance…

d14_HENSCHELHALLE_DRUMHERUM_II_15.081während ich diese bilder am imac erstelle, dampft es mir mächtig entgegen – jute.
ich war zur henschelhalle gefahren, um bei der performance von ibrahim mahama mitzuwirken – der war nicht da. dafür studentinnen, die sich jeden dienstag hier treffen.

d14_HENSCHELHALLE_DRUMHERUM_15.08ich sitze mit ihnen zwischen der sacklandschaft – sie nähen, ich erzähle, sie erzählen – eine wunderbare mischung. da frage ich julia, die ein handy mit sich trägt, ob jute denn aus sisal gewonnen wird. sie sagt – warte, ich schaue nach.
jute ist eine wunderbare pflanze. Ursprünglich stammt die Jute aus den Ländern des Mittelmeerraumes und kam von dort nach Asien, insbesondere Indien und Pakistan.

 

https://de.wikipedia.org/wiki/Jute

also – nähen ist weit mehr als nähen – ist treffen, kommunikation, austausch von erfahrungen und vielem mehr. julia ist beruftlich näherin – schneiderin. ich erzähle, dass ich früher alles selbst genäht habe – auch hochzeitskleid und -kostüm. das will ich auch mal machen sagt m., deren namen ich mal wieder vergessen habe. aus alten sachen neue machen – ist einen moment lang das thema. und damastbettwäsche – die wunderbar wiederzuverwenden ist, schwärmt julia.
ich erzähle, dass ich früher, als ich jung verheiratet war, wunderbare bettwäsche bei TRILLHOFF,  das war ein kleider- und altwarensammler in der holländischen straße, auf bergen von gelagerten kleider- und wäschebergen fand und in pink und violett eingefärbt habe.
die gespräche gehen wundersame wege – fern von lumpen und jutesäcken.

 
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es ist dann irgenwie schnell schnelll schnell 14 uhr – und ich wollte die ganze halle noch fotografieren, die mich an mein bahnhofsthema erinnert und irgendwie daran anschließt. es ist leider nur dienstags von 11 – 14 uhr geöffnet – ansonsten: geschlossen. es gibt ja noch genug documenta-dienstage. ich komme wieder.

d14_IBRAHIM MAHAMA…

und noch einmal IBRAHIM MAHAMA…
d14_ISMAEL JAMAHA_TURMWACHE_von oben_am mittag ist hier ein menschenauflauf wie noch nie. das mit den säcken hat sich wohl herumgesprochen und scheint die meisten zu begeistern, oder doch wenigstens zu interessieren.

d14_ISMAEL JAMAHA_TURMWACHE_von oben wand_1die torwache sackverkleidet von oben gesehen ergibt eine ganz neue perspektive. komme mir ein wenig vor wie ein vogel und möchte fliegen können, von einem tor aufs andere springen, nochmal ganz anders schauen.
4 etagen mit dem fahrstuhl und noch zwei zu fuß – nicht ganz mühelos für mich. aber der blick entschädigt mich. die documenta objekte muß ich ein andermal anschaun. so reicht es erstmal. draußen auf den stufen kühle ich mich ab. ein schöner platz und auch ein neuer ausblick.

d14_ISMAEL JAMAHA_TURMWACHE_durch bogen_2d14_ISMAEL JAMAHA_TURMWACHE_MENSCHEN_5die gespräche halten mich fest und auch ein neues gucken nach den starken regentagen. so durchnäßt, die farben satter als bei sonnenschein, fange ich manchen blick neu ein.

d14_ISMAEL JAMAHA_TURMWACHE_sackmuster II_4 d14_ISMAEL JAMAHA_TURMWACHE_sackmuster_3immer wieder bleibt mein blick an den sackfalten hängen, die sich so ganz anders gebärden als beispielsweise in marmor gehauen. falten, in jeder weise, wickeln mich regelrecht mit hinein in die zärtliche schönheit – ich hänge ihnen an.
4 stunden hält es mich und gesättigt gehe ich heim.

SONDERPREIS FÜR IBRAHIM MAHAMA…

Check Point Prosfygika
…ALTE TORWACHE KASSEL…
d14_TORWACHE_ISMAHEL MAHAMA_P1640743die spur, die nach kassel führt, die ibrahim mahama mit seinen jutesäcken legt, ist deutlich nachvollziehbar, ja spürbar – von asien über ghana und athen nach kassel.
Wer webt, verpackt, belädt und transportiert, hinterlässt auch seinen Schweiß, seinen Namen, Daten und andere Koordinaten auf den Säcken. Aus den Säcken werden Häute mit Narben, die eine soziopolitische und wirtschaftliche Vorgeschichte erzählen.
sie haben eine deutliche sprache, lassen kein mißverständnis aufkommen von dem, was sie erlebt haben und uns in aller deutlichkeit mitteilen.
ibrahim mahama ist mit seiner kunst verwoben, er meint es ernst und sagt es deutlich. sein name muß bei der d14 herausragend genannt werden. alle bisher schon vergebenen kunstpreise, wieso eigentlich, hätten ihn in erster linie berücksichtigen müssen.
ibrahim mahama ist anwesend in seiner kunst, ist persönlich zugegen, er begleitet sie gewissermaßen vom ersten erscheinen an bis zu ihrer letztlichen bestimmung. er hat sie gekauft und eingetauscht, er hat sie mit mitarbeiterInnen genäht – auf dem syntagmaplatz, in der henschelhalle und hat beim verkleiden der torwache hand angelegt – er war immer teil seines tuns, wie kein anderer künstler auf der d14. die haben sich zu fototerminen ablichten lassen und haben machen lassen. ibrahim hat mit den menschen gesprochen, hat ihnen rede und antwort gestanden und mit seinem freundlichen wesen beeindruckt und überzeugt, dass das, was er tut, ein notwendiges ist.

d14_TORWACHE_ISMAHEL MAHAMA_AUFBAU_P1640306IBRAHIM MAHAMA sollte dafür einen besonderen preis bekommen. die menschen, die ihm begegnet sind, werden es befürworten. den

SONDERPREIS für EHRLICHES ENGAGEMENT und WAHRHAFTIGKEIT

verleihen ihm die besucherinnen und besucher der documenta14, die bewohnerInnen der stadt kassel. ihnen ist durch die verkleidung der torwache mit den jutesäcken erst klar geworden, dass hier ein wesentlicher bestandteil, nämlich der eingang oder die einfahrt in ihre stadt, sichtbar geworden ist. es fehlt ihm der bogen, der wurde nie gebaut – aber so finde ich die pforte unbedingt eindrücklich genug. vielleicht sollte sie auch nach der d14 erhalten bleiben – solange, bis sie wieder zerfällt. sie, die pforte, würde sich damit abheben von all den anderen prächtigen prunkstücken vergangener documentas mit ihrem ewigkeitsrecht.

d14 EINGEFANGEN…

FRIDERICIANUM…

durch kunstwerke und menschen geschlängelt – geguckt geredet und wieder heim, damits nicht zu viel wird.

an der wand fotos von hans haacke von der d2 und gern angesehen. hier scheint in der runde spannenderes zu sehen sein.

d14_FRIDERICIANUM_MENSCHEN ÜBER BALKON_P1660766dreh mich doch mal um. ich will doch nicht dauernd diese jeans angucken müssen. elkes mutter sitzt im rollstuhl. aus ihrer sicht gesehen stelle ich mir ein projekt mit ihr vor, in dem sie, also die 92 jährige, aus dem rollstuhl heraus fotografiert. mal sehn, ob wirs hinkriegen… spannend auf jeden fall.d14_FRIDERICIANUM_FENSTER_JEANS_NIESCHE_06.081kinder, hunde, kameras – kontaktwesen und gern genutzt. kameras sind auf der d14 die renner… d14_FRIDERICIANUM_JOE_FOTOSPIELE_06.083Stephen Antonakos, ANTIDORON
(geb. 1926, Agios Nikolaos, Griechenland; gest. 2013)
for my sister kanella – 1989 – bruder bruder bruder schwester

..es ganz zum Ausdruck zu bringen, aber nur mit hineinzunehmen, was absolut notwendig ist…

in diesem sinne dieses ´heiligtum´zu betreten, was durch die große besucherzahl kaum möglich, dennoch zu ahnen ist, entfaltet erst die unsagbar kraftvolle spirituelle präsenz.
es erinnert mich an mandalas, die in diesen jahren eher als deko und selten als inspirationsquelle hervorgebracht wurden. es erinnert mich auch an die lehmbaukuppel von gernot milke auf dem uni gelände. etwas bleibt – etwas leuchtet noch lange nach…

d14_FRIDERICIANUM_MANDALA RAUM_BRUDERBRUDERBRUDERSCHWESTER_06.082

d14 – IKONEN DER NEUZEIT…

STELIOS FAITAKIS im FRIDERICIANUM…
d14_FRIDERICIANUM_IKONE_II_P1660821eine spirituelle suche, sagt stelios, sei die kunst – ach wäre sie das doch – und nicht politisches engagement. dass er vom politischen absieht, macht ihn mir interessant – eine art und weise zu verstehen und zu lernen. die vermischte symbolik nebeneinander ist nicht leicht zu entschlüsseln. er setzt auf die stärke der alten bilder.

d14_FRIDERICIANUM_IKONE_I_06.08 ob die symbolik ihre kraft entfaltet und die menschen anlockt, oder die nähe zur straßenkunst und comics, kann ich nicht sagen. es wird geschaut und gerätselt, verglichen und meinungen ausgetauscht. ein mann sagt zu mir, und wenn die d14 nur dazu dient, die menschen in gespräche zu verwickeln, irgendwie drückt er es knapper aus (drei menschen in ein gespräch verwickelt), ist sie gelungen. na bitte… wir rätseln noch um die schriftzüge herum – byzantinisch oder so – und mir fällt die nähe der strassenkunst zum byzantinismus auf – erfrischend oder verwirrend – eben gewollt…
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Stelios Faitakis, geboren 1976 in Athen ist eines der Pionier Figuren in der Bewegung Street Art , die in den entwickelten Athen mit Künstlern seit Mitte der 1990er Jahre wie Alexandros Vasmoulakis oder kollektive Carpe Diem. Er lebt derzeit in Athen . wikipedia

…Meine Arbeit hat starke Bezüge zum Byzantinismus, aber auch zur asiatischen Kunst, zur europäischen Kunst des Mittelalters und zum mexikanischen Muralismus, das ist eine spezifische Form von Wandmalerei im öffentlichen Raum. Ich habe früh angefangen, diese Einflüsse zu kombinieren, im Grunde schon in den Neunzigerjahren, als ich noch Graffiti gesprüht habe…
süddeutsche zeitung