EINEN SOMMER LANG…

COVER EINEN SOMMER LANG_

bei Books on Demand

BLÜHEN UND WELKEN – LEBEN UND STERBEN

immer mehr brauchen wir lebensräume, in denen unser geist sich ausruhen unsere seele sich nähren kann.
gärten mit ihren blühpflanzen und düften halten dies für uns in ihren grossen geheimnissen bereit.
jede stunde, in der ich zwischen den farben und düften gehen kann, betrachte ich als grosses geschenk.

in diesem jahr war der BOTANISCHER GARTEN besonders prachtvoll. sehr häufig war ich dort, habe bilder eingefangen vom blühen und welken, damit sie mich durch den winter tragen.

vielen menschen bin ich begegnet und habe das gefühl, dass sie in dieser umgebung besonders aufgeschlossen sind, besonders jetzt im herbst, wo das welken nahe legt, dass es an das sterben der menschen anschliesst. sie reden nicht gern vom sterben, aber tun es dann doch. mit meinen überlegungen zu den schönen gesten der welkenden pflanzen öffnet sich bei ihnen eine tür, die in ihrer vollkommenheit und schönheit mut macht sie genauer zu betrachten.
mit dem mutigen anschauen erfolgt der schritt des offenen redens.
das erleichtert und mir scheint, dass in diesem heilkräuter hexagramm die menschen so duftend umgeben eine erleichterung erfahren.

DER FLIEGENPILZ…

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diesmal reicht das knieen nicht
heute muss ich mich ganz flach auf die erde legen
ich muss mich
auf gleiche ebene bewegen mit dem prachtvollen fliegenpilz
von oben herab kann ich ihm unmöglich begegnen
er flösst mir ehrfurcht ein in seiner vollkommenheit
so einen wunderschönen fliegenpilz habe ich noch nie gesehen

ich finde auch heraus
dass er keinesfalls so giftig ist
wie ihm nachgesagt wird
auch dass er sogar essbar ist
wenn man die art der zubereitung berücksichtigt

FLIEGENPILZ_

als glückspilz ziert er postkarten

in vielen schamanischen kulturen zählen pilze zu den heiligen pflanzen
priester der maya benutzten pilze als rauschmittel um visionen von den göttern zu erhalten

dass er mit hexen in verbindung gebracht wird verwundert mich nicht
in der legende vom fliegenpilz aus der altnordischen sagenwelt
wird gesagt, dass die berserker sich mit kleinen fliegenpilzmengen betäubten, damit sie im kampf keinen schmerz spürten.

wie er also zum glückspilz wurde
ist mir noch unerklärt…

BOTANISCHER GARTEN KASSEL…

DAS DUFTGEHEIMNIS
ich bin im botanischen garten
wieder einmal bin ich an dem ort wo es so betörend gut duftet
als würde hier gelee gekocht
kürzlich fragte mich eine frau ob ich denn wüsste woher der duft komme
nein – weiss ich nicht
heute beschliesse ich den grund ausfindig zu machen
es lockt mich eine riesenfläche mit pilzen unter einem baum
und da ist er – der duft
ich kreise herum und schnuppere
es ist dieser baum unter dem die pilze stehen

EISENHOLZBAUM – PARROTIA PERSICA
ZAUBERNUSSGEWÄCHS
Collagen43

und noch ein stück weiter noch einer und noch einer
es ist wie ein zauber ein richtiger kleiner zauberwald
ich lese auf dem schild ZAUBERNUSSGEWÄCHS
und ich gehe wie betört und betäubt umher
nur was den duft ausmacht kann ich noch immer nicht sagen
und blüten sind keine zu erkennen
ich lese nach
der EISENHOLZBAUM blüht von januar bis märz
wieso er einen namen so ganz ohne zauber trägt
ist mir unerklärlich
die blätter sind jetzt mitte oktober goldenleuchtend
den stamm werde ich mir näher anschauen müssen
vielleicht verbirgt sich da das geheimnis des dauerduftes
oder doch an der wurzel…

die geschichte nimmt einen total anderen verlauf
am nächsten tag bringe ich kakteenfotos zu magdalene ins kakteenhaus
sie hat viele jahre den bauerngarten gepflegt
nun – fast 90 jährig – betreut sie am freitag und samstag die kakteen
vom vorigen tag und meinen erfahrungen mit den zaubernussbäumen
hatte ich ihr nichts erzählt
da reicht sie mir einen grossen plastikbeutel und sagt – riech mal
da ist er der geruch den ich nicht definieren kann
es sind die blätter des judasbaumes
du musst die blätter auf die heizung stellen und sie ab und zu befeuchten
dann duften sie wunderbar
und sie beschreibt wo ich den baum finde nr. 23
ich bin beglückt und gehe nun um den richtigen duftbaum in augenschein zu nehmen
er ist riesig und alle blätter liegen wie ein teppich ausgebreitet unter dem baum
JUDASBAUM_DSC_9061
JUDASBAUM
CERCIDIPHYLLUM JAPONICUM
oder
BROTBAUM
Collagen42
es liegen einige bunten ahornblätter darüber – deshalb nicht gleich auffindbar
also wurzel war schon ganz nahe dran – aber eben der falsche baum…
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im netz finde ich beschrieben dass er BROTBAUM genannt wird
weil er den duft von lebkuchen ausströmt

LEBEN GEHT…

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am kummer sollst du wachsen
den tiefen gefühlen nicht widerstehn
du kennst den urgrund der brunnen
du weisst
dort müssen wir hin
tief tief liegt verborgen
was uns trägt
tief ist alles
was leben ausmacht
wer in den höhen sich bewegt
wird von der sonne verbrannt
wird zur aschewolke
fliegt fliegt fliegt

rosadora

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ein boot
es fährt in leichter sonne
es ist gut ausgestattet
es wird gut getragen
es nimmt sich alle zeit
es grundet tief
dort
wo alles leben endet
wo alles leben beginnt
wo ein kleines licht
für uns aufgespart ist
für heute und morgen
für allezeit
das
ist unser trost

ASTERN IM REGEN…

Gottfried Benn

Astern – schwälende Tage,
alte Beschwörung, Bann,
die Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.

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Noch einmal die goldenen Herden,
der Himmel, das Licht, der Flor,
was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?

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Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen Du –
der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu,

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Noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewissheit wacht:
Die Schwalben streifen die Fluten
und trinken Fahrt und Nacht.

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W E L K E N . . .

KAPUZINERKRESSE…

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immer ist in der natur das wachsen blühen und vergehen das thema
das blühen wird bewundert das vergehen weniger

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die kapuzinerkresse ist vom frost gebeutelt und ist in die kniee gegangen die blätter hängen herunter wie wäsche von der leine
die regentropfen liefern die trauer und fangen reste des lichtes dadurch ergeben sich wunderbare bilder
was sieht sie denn da
drei ältere frauen kommen ins heilpflanzenhexagramm und meinen mich eine jedenfalls die diese frage stellt
als sie näher kommt erkläre ich dass die welken blätter der kapuzinerkresse wunderschöne kunstwerke abgeben und dass ich als fotografin diese morbiden bilder liebe und ich nicht nur das blühen sondern jeden ausdruck der pflanze anschaue
und dass es doch ein sichtbarer vergleich ist mit unserem eigenen leben

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schnell schwingt die frau sich ein – davon spricht man ja nicht gern
und sie spricht dann doch davon und wissen sie mein mann ist dement er ist 84 und sie klingt weinerlich und achgottachgott das ist so furchtbar heute hat er telefoniert und mich ans telefon gerufen er hielt eine serviette an sein ohr

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und da ist doch die verbindung von den pflanzen zu den menschen und es geht ums hinschauen um zu verstehen
ich fotografiere wie angestochen kniee auf der erde und verändere meine sicht durch standortwechsel als müsse ich mich beeilen
dass ich richtig geahnt habe zeigen mir heute einen tag später die pflanzen die auf dem boden liegen eben wie wäsche aber diesmal als seien sie von der leine gefallen
kapuzinerkresse ist sehr frostempfindlich

alles kann man wiederholen ober nichts ist wiederholbar

EXPLOSION AUF DEM ESSTISCH…

SEIDENBLUME_geschlossenindex

SEIDENBLUME_blühend_index

ich sammele samen wo immer ich gehe aber explodiert sind mir noch keine
von der seidenblume habe ich berichtet und wie ihr name so gar nicht zu ihrem auftreten passt
die samenhüllen sind bis zu 10 cm lang und lassen erstmal von den samen nichts erkennen sie schaut eher aus wie die frucht einer essbaren pflanze
eine hatte ich aus neugier entwendet auf jedenfall war sie in meiner jackentasche gelandet
ihren platz hatte sie wochenlang auf dem esstisch weil ich sie fotografieren wollte

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gestern dann gab es einen wirklichen anlass dies zu tun ohne jegliches geräusch war die samenhülle explodiert und weil der wind fehlte waren die samen nicht weggeflogen sondern hockten wie seidenblasen nebeneinander

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es war ein wunderschöner anblick und die seidigen fasern an denen kleine samenblättchen hingen hielten fest aneinander als wäre diese nun bequemere lage ihr innigster wunsch oder war es nur meiner sicher war ihr auftrag ja in die welt hinein zu fliegen um sich zu mehren dies habe ich nun verhindert sei denn ich trüge sie wieder hinaus ins freie

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in kleinen dingen ist oft grosses verborgen in meiner neugier wage ich mich oft nah heran und die überraschungen sind oft frappierend

seidenblume – der name ist treffend wenn es auch über monate nicht ersichtlich ist weshalb diese ziemlich grob und plump daherkommende pflanze so heisst und das geheimnis in ihren samensäckchen versteckt ist

ROTE DAHLIEN…

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der ansporn sie zu fotografieren
die nochroten dahlien
entsprang mir aus einer zeile des gedichtes von rainer maria rilke
BLAUE HORTENSIE

‚Verwaschenes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragenes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze‘.

ROTE DAHLIEN_DSC_8155

wenn es in dem gedicht auch das blaue ist das so verwaschen sich zeigt
so schien es mir auf das rote ebenso zu passen
das rote – es geht – wie das blaue
der herbst bringt farben und nimmt sie auch wieder

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KRANICHE AM SONNTAG…

KRANICHE_DSC_7858

kraniche ziehen durchs land
die glücksvögel machen sich vom acker
suchen unter anderen himmeln ihr glück

sonntagskraniche
erst hör ich sie schreien
eine frau sagt KRANICHE – da sind sie –
ich schaue – richte meine kamera –
sie fliegen sehr hoch
sonnenschein und blauester himmel
so viele kraniche auf einmal – ich zähle an die 200 vögel
und das sooo früh im herbst
der mann sagt – das gibt einen frühen kalten winter
jemand sagt noch GLÜCKSVÖGEL

sie sind unterwegs – meine lieblingsvögel
sie sammeln den frühling ein und bringen ihn uns zurück
ich denke an den langen weg den sie zurücklegen
und an die leistung die sie immerwieder vollbringen
etwas wehmütig schaue ich ihnen hinterher

kassel botanischer garten so gegen 16 uhr

BOTANISCHER GARTEN VI

spätsommerfreuden

es sind immer die menschen die diesen gang zwischen den blumen bereichern
ein älteres ehepaar – kann man hier auch rein gehen – ja man kann
wir plaudern und scherzen – jetzt haben wir heute doch mal so richtig gelacht sagt der mann das ist doch was

eine junge fotografin hat ein fotoshouting ich tippe auf hochzeit ist es dann doch nicht
nina – die auch kim kennt – eine ebenfalls junge fotografin die ich im tegut kennengelernt habe wir tauschen unsere visitenkarten

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die karden im lehrgarten haben es mir wieder angetan mit ihren bizarren formen
sie sind in starre gefallen und würden so den winter überstehen vorausgesetzt man entfernt sie nicht vorher

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im stauden garten dann die kugeldisteln
sie sehen etwas zerzaust und spitzbübisch aus streuen ihre samen nur zaghaft in die gegend

die gräser die wogenden zarten werden mit jedem tag schöner und erstaunen mich mit ihrer vielfalt

ein schwatz mit einer ganzen familie und einem riesenschäferhund das gespräch geht über sicherheit die durch so einem grossen hund gegeben ist

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über die echinacea komme ich mit ehepaar klein ins gespräch von motivsuche bis nennung der kameras herr klein fotografiert eifrig und ich auch frau klein schaut zu

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dann eine begegnung mit einem springinsfeld einer grünen heuschrecke familie mit zwei kindern das dauert etwas ich fotografiere begeistert so einen grossen habe ich in unserer gegend noch nie gesehen er will nicht wegspringen der schreck wir beraten was zu machen ist ja was frisst er den wir nehmen ihn mit nachhause sagt das mädchen und setzen ihn in ein terrarium der knabe äussert bedenken der schreck sitzt jetzt bei ihm auf der hand auf seinem rücken und dann auf meinem er will und will nicht flieghüpfen
ich verspreche nachzuschauen was er denn im winter macht
er stirbt schlechtweg das weibchen legt vorher eier in die erde aus denen larven hervorschlüpfen im nächsten jahr und in drei verschiedenen stufen zum grünen heuschreck bzw. heupferd werden sie sind nützlich für die gärtnerin und den gärtner sie fressen ein vieles an schädlingen von dem was die marienkäfer verspeisen grünzeug fressen sie auch aber sie werden dadurch nicht zur plage
eine weile später treffen wir uns wieder bei der wildäpfelbaumwiese
der heuschreck ist immer noch nicht fort er weiss wohl um sein schicksal will noch etwas wärme und nähe geniessen dann wird er in der wiese abgesetzt und das kleine mädchen sagt da sind noch andere ich ab sie gehört

jetzt durch den staudengarten in richtung ausgang
aber fast schon am auto ein ehepaar welches sich erkundigt ob man im schlösschen kaffee trinken kann – nein kann man nicht – ich nenne den gegenüberliegenden werkhof und dann folgt ein längeres gespräch und austausch von gemeinsamen erinnerungen
sie sind aus koblenz und er ist aus kassel will hier seine jugenderinnerungen auffrischen tanzen im schlösschen und dann nachts heim durch den dunklen park…
wir sind fast derselbe jahrgang und haben gemeinsame tanzerinnerung – haus der jugend und sind uns wahrscheinlich auch seinerzeit häufiger dort begegnet
sie kommen von einer familienfeier die anstrengend war und müssen noch nach koblenz
viel war es und völlig unerwartetes – ein wunderbarer spätsommertag