bäume singen
im waldklang
erliege ich
ihren weisen
die ganz hohen töne
fallen zuerst
in mein herz
den tiefen folge ich
ehrfürchtig
an ihren füssen liegend
baumchorgesänge
nehmen den direkten weg
zu meiner seele
rosadora
bäume singen
im waldklang
erliege ich
ihren weisen
die ganz hohen töne
fallen zuerst
in mein herz
den tiefen folge ich
ehrfürchtig
an ihren füssen liegend
baumchorgesänge
nehmen den direkten weg
zu meiner seele
rosadora
engel oder christkind
engel sind immer überall
christkinder auch
mein urwaldchristkind
macht mir grosse freude
es sieht aus, als würde ich gerade einem geburtsvorgang beiwohnen, der geburt eines urwaldengels. dabei hatte ich angenommen, dass sie vom himmel kämen und leben und tod längst hinter sich hätten.
er reckt sich in der sonne, dem lichte entgegen. hier bin ich, scheint er zu rufen und macht mit ausgestreckten armen auf sich aufmerksam. es ist eine freude, ihn in seinem holzgemasertem kleid anzuschaun. er strahlt zuversicht aus.
er hat mich überrascht – urwald und engel. da muss ich meinen kleinen geist weiten und mir klar machen, dass in einem urwald jede gestalt stellvertretend erscheint. und in diesem falle wird das erscheinen sehr deutlich.
vorerst lasse ich ihn gewähren. er muss ja erst einmal begreifen, dass er als urwaldengel nicht hinauf in den himmel kann, dass er gefesselt ist in seinem baum. ob ihm diese tatsache sicherheit geben wird, weil er jetzt ja einen festen platz hat, oder ob ihn die sehnsucht nach grösseren flügen zerfressen wird, ist nicht zu sagen.
ich zermardere mir den kopf, was ihn dazu getrieben haben könnte, sich ausgerechnet hier zu manifestieren. und ob ihm bewusst ist, dass er an dieser stelle einen ganz bestimmten auftrag erfüllt.
in dieser aufrechten gestik könnte es sein, dass er die menschen wachrüttelt – nicht soll, denn ein bewusstsein rechne ich ihm nicht zu. vielleicht täusche ich mich ja.
mein wort an ihn zu richten würde ihn sicher irritieren, auch meine frage, warum seine flügel so kurz geraten sind, oder ob sie ihm unterwegs abhanden gekommen sind. erst noch muss ich mich mit ihm vertraut machen.
dass ich ihn fliegen lassen werde in meinen gedanken, werde ich ihm später sagen
urwaldengel
sie bieten alle schutz
diese waldwesen
diese gewesenen
diese kommenden
mossflügel
erheben sich
über mich
mossaugen
bewachen
den heiligen hain
und mich
jetzt rundet sich das jahr, mein urwaldjahr. in fast wöchentlichen abständen habe ich meine beobachtungen gemacht. es sind jedesmal neue. immer sieht es anders aus, immer wieder entdecke ich neues. das wird auch nicht enden.
der urwald ist mir zur lebensrettender gewohnheit geworden. die bäume und fantasietiere sind mir vertraut. sie gehören zu meinem leben.
die riesenschlange hält sich mühsam aufrecht…
mein kriechtier überrascht mich im grünen überzug…
diesen knülch hier sah ich noch nie…
baumengel überschaut alles…
lahme ente duckt sich und will gestreichelt werden…
der quack schreit laut, damit ich ihn nicht übersehe…
im farnwald
den ton finden
zwischen grün und gold
zwischen licht und schatten
mich einschwingen
in die nuancen des herbstes
und mitsingen
die herbstsinfonie
rosadora
MOSCHUS-MALVE..
das unvermutete sehen.
der reinhardswald bietet vieles, nur nicht unbedingt eine blumen- und blütenpracht.
der adlerfarn ist beherrschendes fossil und wenn man sich vorstellt, dass er in urzeiten einmal bis zu 30 meter hoch wurde und ganze wälder bildete, sind die heutigen pflanzen mit ihren 2 bis 3 meter hohen wedeln, die ganze waldteile abgrenzen und uneinnehmbar machen, vergleichbar nur ein überbleibsel.
ihn zu fotografieren ist ein unterfangen. ein wedel legt sich über den anderen. im sommer ist er grün, grün und einfach nur grün. eine kleine gelbfärbung ist die ausnahme, das ist erst im herbst dran. trotzdem suche ich so eine ausnahme, suche einen farn, der sich besonders abhebt, von was auch immer, ein dunkler waldhintergrund, der himmel, oder ähnliches.
im urwald suche ich heute stellen auf, in denen sich der adlerfarn nicht breit gemacht hat.
auf knorriges und knorziges habe ich es abgesehen, das urigen gestalten gleicht, einen wesenszug erhält, indem ich es wahrnehme. ein solch gelungenes foto macht mir freude, ist das kleine glück des tages. gestern kam ich sogar auf zwei – etwas milder betrachtet – drei urwaldgetiere. ich werde sehen, ob sie mir was zu sagen haben und ob ich es heraushöre.
auf der heimfahrt schaue ich dann nur noch mit schritttempoblick. ich kann nicht stundenlang aufmerksam schauen. die aufmerksamkeit lässt nach, aber ganz lassen kann ich es auch nicht.
ich bin schon fast am rande des reinhardswaldes, als mich ein farbfleck auf die bremse treten lässt. ich bin schon vorbei und muss ein stück zurückfahren.
es ist ein riesiger busch mit moschus-malvenblüten. wahnsinn, denke ich, und fotografiere drauf los. das ist ein glückstreffer. schmetterlinge und bienen finden das auch.
dann erst frage ich mich, wie ist er bloss da hin gekommen? ich habe nur eine erklärung.
hier kippen menschen ihren gartenabfall aus. schön denke ich, dass es gartenabfall und kein übler müll ist.
erde nimmt vieles auf, und erde gibt auch vieles her.
dass es eine malve ist, habe ich gewusst. dass es eine moschus-malve ist, habe ich im internet gefunden. es ist ein schöner name, und erinnert mich an else lasker-schülers moschusgedicht…
alter tibetteppich
…süsser lamasohn auf moschuspflanzentron…
ich entwerfe aus meinen moschus-malvenblüten diesen zauberhaften pflanzentron, umgebe mich mit dem duft von moschus und falle, falle ins zauberland…
den genauen zeitplan kannte ich nicht. ich machte mich auf den weg und fragte mich, wohin er mich führen würde und was das ganze soll.
laufen, schneller voran kommen und um das zu erfahren, war nur eine möglichkeit. ich entschied mich für das schlendern, machte immer mal wieder eine pause zwischendrin und wich ab und zu vom weg ab.
dabei merkte ich, dass das abweichen einen besonderen reiz hatte. es gab dinge zu sehen, die ich an keinem weg hätte finden können. menschenleer war diese gegend sowieso. meine neugier wurde befriedigt und das ist der grösste anreiz für abweichungen.
ich begann sie zu lieben.
so war ich vom weg abgekommen und das machte mir spass, bereitete mir ein riesiges gefühl von freiheit – frei von alltäglichem, frei von verpflichtungen, frei auch von lästigen begegnungen, sogar frei von gedanken. zwar liefen da welche in mir herum und um mich her, aber die nahmen so völlig andere gestalt an als üblich. sie eröffneten mir einen neuen aufenthaltsort für meine fantasien. ja, fantasie war üppig vorhanden. das machte vielleicht dieses auffällige grüne grün um mich herum. ich liess mich fallen. das tat unheimlch gut. alles um mich herum war leicht. es begleitete mich, flog sozusagen mit mir. wir hatten grosses vertrauen zueinander, diese wahnsinnsgrüne fantasie und ich.
plötzlich wurde es lebendig um mich herum. urwaldwesen hängten sich an mein geschlender und zwangen mich zu noch grösseren pausen. sie wendeten keine gewalt an, sie fesselten mich auf besondere art. es entstand ein dialog mit märchenhaftem gebaren.
ich fühlte, dass dies mein ort war und ich zögerte, auf den mir vorgegebenen weg zurück zu gehen. diese urwaldwesen ermunterten mich, es trotzdem zu tun. ich könne doch jederzeit wiederkommen. das tröstete mich sehr und ich versprach wiederzukommen – immer wieder.
der uru hat für heute das sagen im urwald. seine langen fühler hat er ausgestreckt, schaut, wer da sein terrain betritt. er ist wachsam und gutmütig. ich strecke ihm meine hand hin. er leckt daran wie ein hund. geschnüffelt und akzeptiert. na, da bin ich aber froh. ich bin ihm auch hold gesonnen, finde, dass er ein ganz passables wesen ist. sein langgereckter hals sagt mir, dass ihm nichts entgeht, dass er ein neugieriger kobold ist. heute ist ausgezeichnet gutes wetter, aber auch bei schlechtem wetter ist seine aufmerksame art nicht eingeschränkt.
seinen mossnacken finde ich besonders. sein gefleckter hals macht es mir schwer, ihn in irgendeine waldwesenart einzuordnen. das würde er sicher auch nicht wollen. einzig zu sein ist sein ganzer stolz.
sein betragen ist angenehm. er schnappt nicht nach meinen händen und zu dem ihm gebotenen leckerbissen lächelt er nur und lehnt dankend ab. ein bisschen wasser aus meiner hohlen hand, das schleckt er und nickt mit dem kopf. das kommt ihm bei dem warmen wetter recht. in der nacht hat es zwar geregnet, aber die sonne ist so gierig und schwupp hat sie alle regentropfen wieder weggeleckt.
ich widme ihm eine kleine strecke meiner zeit. ich weiss nicht, ob es ihn beeindruckt.
ein portrait möchte ich noch von ihm, den ich uru nenne. er gewährt es mir.
ich ziehe weiter durch den grünen, grünen adlerfarn-urwald, ganz neugierig, wem ich noch begegnen werde.
SABABURG, MÄRCHENSTRASSE
den kopf in den wolken
die beine abhängen
fliegen ist angesagt
steigen
den wolkendunst durchstossen
hören
was auf höherer ebene sich tut
wenn alle stricke reissen
den mut haben
und dich fallen lassen
dieser komisch hockenden figur mit dem langen zopf begegne ich immer wieder. ich frage mich, weshalb sie sich ausgerechnet an dieser kurve niedergelassen hat. ein besuch an offener strasse ist fast unmöglich. sie sitzt mit dem rücken zum licht, schaut gen norden, schaut also in die völlig falsche richtung. schlossbewacherin kann sie nicht sein. dazu ist ihre stellung zu gediegen, zu gefesselt. sie sitzt an der märchenstrasse. dass sie eine märchenfigur sein könnte, diese idee ist mir noch nicht gekommen.
heute betrachte ich sie aus geringer entfernung. aber näher ist sie mir dadurch nicht. ich werde, trotz aller gefahren, sie nächstens nach ihrer bestimmung befragen.
AUFKLÄRUNG
die aus Holz gefertigte Statue, die Riesin „Saba“, gilt als Namensgeberin der SABABURG. Sie war eine Schwester der Riesin „Trendula“ (von der benachbarten Burg Trendelburg), die der Sage nach von einem Blitz auf freiem Feld erschlagen wurde, nachdem sie ihren Schwestern „Saba“ und „Brama“ (von der Bramburg) stark zugesetzt hatte. Alle drei sollen im übrigen von der nahegelegenen Burg des Riesen Kruko, der Krukenburg stammen.