99. INTERNATIONALER FRAUENTAG 2010

wir denken an all die frauen, die ihre energien in den kampf um die frauenrechte eingesetzt haben.
in vielen anderen ländern ist heute FEIERTAG. vielleicht sind unsere nöte, verglichen mit denen anderer länder, nicht so lebensbedrohend und unser engagement dementsprechend niedrig. dass wir diesen tag nicht zum feiertag erklären, scheint daran gemessen werden zu können.

hier also kein weiteres lamento, sondern ein hindenken zu CLARA ZETKIN und all den anderen wunderbaren frauen und ein grosses dankeschön und die aufmunterung zum weitermachen. es ist noch lange nicht alles erreicht, was ein friedvolles miteinander und den frieden sichern.
es darf getanzt werden…

JEDER KLEINE AUGENBLICK…

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jeder kleine augenblick ist ein vergnügen
und ein vergnügen ist ein vergnügen
oh ja ein vergnügen
ist ein vermögen zum begnügen

aus
gertrude stein
für minuten

es erinnert mich an – rose ist eine rose ist eine rose,
ist eine rose…
das ist auch von gertrude, der sehr eigenwilligen,
die von sich sagte, ich bin ein genie.
sie unterhielt in paris einen salon mit ihrer ehefrau alice b.
auch ernest hemingway und f. scott fitzgerald tummelten
sich bei ihr, sowie ganze heerscharen amerikanischer
kunsttouristen und andere neugierige.
man nannte sie ´mama of dada`
1874 pennsylvania- 1946 paris

UNSTERBLICHKEIT…

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bild: KEERRY JAMES MARSHALL

bei einer zigeunerin hatte ich einst ein tuch erworben, das mich unsichtbar macht. ich habe ihr dafür ein viertel meiner unsterblichen seele verkauft. dreiviertel unsterblichkeit genügt mir. ich weiss nicht, wie die allmacht es verrechnen wird. hoffentlich darf ich drüben ein viertel weniger leiden. auf erden ist eine ganze seele unerträglich. ich war glücklich, wenigstens ein viertel loszwerden und mich ungesehen durch die welt bewegen zu fürfen. auf diese weise erfahre ich die wahre gesinnung meiner freunde. früher oder später komme ich darauf, dass der eine oder andere alles andere als ein freund ist. aber wenn man nur dreiviertel seele hat, tut es doch ein viertel weniger weh.

rose ausländer
aus
visum

TAT-SACHE…

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seit einiger zeit habe ich ein sonderbares talent; ich kann mit dem kopf durch die wand gehen. es ist kein kunststück. nur ein gewisser körperlicher (oder seelischer?) zustand, der sich manchmal einstellt, je nachdem wie ich eingestellt bin. ich kann nichts näheres darüber aussagen. wenn es so weit ist spüre ich, dass ich es tun kann, ja, dass ichs tun muss. es gibt mir ein gefühl der kraft und freiheit. ich zerbreche mir nicht den kopf darüber, warum und wozu ich durch die wand gehen soll. ich gehe einfach, hin und zurück. die tat-sache genügt mir.

rose ausländer
ohne visum
sassafras verlag 1974

W U N D E R . . .

DIE GESCHICHTE DER FRAUEN_450

WAS SIND SCHON WUNDER –
GEMESSEN AM LEBEN

aus
dietlind kinzelmann
die geschichte der frauen
christel göttert verlag

´seit jahr und tag, kein mensch weiss, wie lange schon, standen in den wäldern und feldern frauen herum. sie hatten prächtige farben und formen, wie kostbare schätze aus alten zeiten. es schien, als seien sie vergessen oder abgestellt worden. vielleicht waren sie einfach übergeblieben aus fernen jahren, von denen wir nichts mehr wissen. fast hätte man meinen können, sie stünden seit eh und jeh da, als wären sie niemals gekommen und würden niemals gehen. wie verloschene gestalten ohne sehnsucht, ohne glück und ohne trauer. irgendwelche umstände mussten den frauen das leben geraubt haben. seither sangen und klagten sie nicht mehr. sie blieben stumm……´

ein auszug aus
der geschichte der frauen -la storia delle donne
von dietlind kinzelmann

WAS SOLLEN WIR TUN…

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und wir alle, was sollen wir tun mit dem wort, das uns geschenkt wurde, als es an seinen wurzeln zu packen und es beschwörend den erdball überziehen zu lassen, auf dass es seine geheime, einigende kraft hingibt an eine eroberung – die einzige eroberung auf der welt, die nicht weinen, die lächeln gebiert:
DIE EROBERUNG DES FRIEDENS.

nelly sachs

aus:
veronika merz
das universum des unsichtbaren

VERSÄUMNISSE…

BovenschenSolar_

SILVIA BOVENSCHEN

´ einmal fragte mich jemand, ob ich glaube, in meinem leben etwas versäumt zu haben. ich war erstaunt, dass mir gar nicht so viel einfiel. ich gab die frage an meine freundin s. sch. weiter. sie überlegte lange. ich wartete auf eine dramatische antwort. dann sagte sie: ´ich bin nicht motorrad gefahren.´
mir fällt auch noch etwas ein: ich konnte nie auf zwei fingern pfeifen.´

aus: älter werden

ich holpere auch herum und überlege, ich würde gern alle sprachen der welt, wenn auch nicht sprechen, so doch verstehen können.
etwas unverschämt, oder.

es schneit – schon wieder
ooooo wie schön
rosadora

HILDE DOMIN – 100. GEBURTSTAG…

27.07.2009

was du heute an ich sparst
und nicht bis zum rande gibst
ist morgen vielleicht
so traurig und unnütz
wie die puppe
nach dem begräbnis des
kinds
nur die klingende
bis zur äussersten
haut des herzens gespannte
stunde besteht

wie sehr sie darum gerungen hat zu bestehen, vor dem leben, ihren lieben, vor sich selbst. ja, vor allem vor sich selbst. es ist anzunehmen, dass sie bestehen wird, vor allen und allem. dass sie vor den menschen bestanden hat, die sie liebte, denen sie ihre gedichte widmete, das ist sicher.

‚wenn ich hundert bin, komme ich wieder’ , so sagte sie nach einer lesung in der kasseler lutherkirche, da war sie 96. resolut, wie sie war, forderte sie einen tisch, mit dem sie etwas anfangen konnte, eben ein arbeitspult und einen passenden stuhl dazu – vor all den leuten. sie hatte dafür die bewunderung aller.

ich höre noch ihre stimme, die mir nicht sehr sympathisch war. zu gehetzt, zu abgehackt – aber so war ihr leben. heute würde ich sie gerne noch einmal hören, wie sie von den ‚langen schatten im sternenlicht’ spricht, zu bedenken gibt, ‚wie geliehen wir sind, wie flüchtig das unsre, das gefühl und wir selbst’. sie gab denkanstösse aus den erfahrungen ihres langen facettenreichen lebens. sie war mutig, ging zu den menschen, den jugendlichen insbesondere. breitet nachdenken aus für eine friedlichere welt.
die welt lag ihr am herzen und die menschen.

in ihrem ‚ratschlag (nicht nur) für abiturienten‘
unter anderem:‚….ich plädiere hier für eine bescheidene, ungeschützte art von emanzipation: ohne rückzugslinien. als einziges credo die menschliche solidarität….’ so war sie, keine sprachklischees benutzend, immer offen, immer ehrlich, immer kämpferisch – bis zuletzt.

sie kann ihr versprechen nicht halten. sie ist einhundert und kann nicht kommen.
sie starb an einem treppensturz. dass sie trotzdem bei uns ist, spricht davon, dass die grenzen zwischen leben und tod fliessend sind.

‚das wunder, das konkrete, kleine wunder, wartet immer um die nächste ecke für den, der es wahnehmen mag.’

DAS LEBEN LIEBKOSEN…

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Wo sind
die Auferstandenen
die ihren Tod
überwunden haben
das Leben liebkosen
sich anvertrauen
dem Wind

kein Engel
verrät
ihre Spur

ROSE AUSLÄNDER –
einhundertacht – 108 – wäre sie heute geworden.

‚Das Leben liebkosen’ – wie jung ihre Gedanken sind, so nahe dem Tod, und den fühlte sie in den letzten Jahren ihres Lebens ständig. Sie sprang ihm von der Schippe, immer wieder, sie (Rosalie Scherzer) reichte ihm scherzend ihre Hand, spielte mit ihm. Den Spieltrieb hat sie sich erhalten. (Ich spiele noch).

‚Das Leben liebkosen’ – so spielerisch und leicht es sich anhört, so sehr kostete es ihre ganze Seelenkraft, sich gefühlsmässig dem Leben in ihren Gedichten (wieder) zuzuneigen, nach allem, was sie erlebt hat.

‚Das Leben liebkosen’ – fast eine Empfehlung in den Tag hinein, für einen Moment den Auferstandenen folgen, behutsam ihre Hinterlassenschaften in Augenschein nehmen, sie drehen und wenden und schauen, was sie uns sagen, uns dem Wind anvertrauen in unserem Nichtverstehen und den Engeln danken, dass sie in ihrer Nichtspur einen Lichtschein hinterlassen haben.

Ich lese ihre Gedichte und immer wieder neu.