27.07.2009
was du heute an ich sparst
und nicht bis zum rande gibst
ist morgen vielleicht
so traurig und unnütz
wie die puppe
nach dem begräbnis des
kinds
nur die klingende
bis zur äussersten
haut des herzens gespannte
stunde besteht
wie sehr sie darum gerungen hat zu bestehen, vor dem leben, ihren lieben, vor sich selbst. ja, vor allem vor sich selbst. es ist anzunehmen, dass sie bestehen wird, vor allen und allem. dass sie vor den menschen bestanden hat, die sie liebte, denen sie ihre gedichte widmete, das ist sicher.
‚wenn ich hundert bin, komme ich wieder’ , so sagte sie nach einer lesung in der kasseler lutherkirche, da war sie 96. resolut, wie sie war, forderte sie einen tisch, mit dem sie etwas anfangen konnte, eben ein arbeitspult und einen passenden stuhl dazu – vor all den leuten. sie hatte dafür die bewunderung aller.
ich höre noch ihre stimme, die mir nicht sehr sympathisch war. zu gehetzt, zu abgehackt – aber so war ihr leben. heute würde ich sie gerne noch einmal hören, wie sie von den ‚langen schatten im sternenlicht’ spricht, zu bedenken gibt, ‚wie geliehen wir sind, wie flüchtig das unsre, das gefühl und wir selbst’. sie gab denkanstösse aus den erfahrungen ihres langen facettenreichen lebens. sie war mutig, ging zu den menschen, den jugendlichen insbesondere. breitet nachdenken aus für eine friedlichere welt.
die welt lag ihr am herzen und die menschen.
in ihrem ‚ratschlag (nicht nur) für abiturienten‘
unter anderem:‚….ich plädiere hier für eine bescheidene, ungeschützte art von emanzipation: ohne rückzugslinien. als einziges credo die menschliche solidarität….’ so war sie, keine sprachklischees benutzend, immer offen, immer ehrlich, immer kämpferisch – bis zuletzt.
sie kann ihr versprechen nicht halten. sie ist einhundert und kann nicht kommen.
sie starb an einem treppensturz. dass sie trotzdem bei uns ist, spricht davon, dass die grenzen zwischen leben und tod fliessend sind.
‚das wunder, das konkrete, kleine wunder, wartet immer um die nächste ecke für den, der es wahnehmen mag.’