BLEIBEN WIRD…

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Was von mir bleiben wird

Von mir werden bleiben: Vier Söhne.
(Mein menschliches Alibi.)
Und vielleicht bleibt noch eine schöne
Mir ähnliche Fotografie.
Die zeigt mich, wie ich lache.
Mein lachendes Kindergesicht.
Das Gesicht, das ich weinend mache,
Zeige ich nicht.
Dann werden bleiben: Gedichte.
Vielleicht bleiben zwei oder drei
Etwas länger als andre im Lichte.
Dann ist auch das vorbei.
Merkwürdig: das zu wissen
Und doch wieder aufzustehn.
Und weiter leben zu müssen,
Als würde es ewig gehn.

Eva Strittmatter

aus „Wildbirnenbaum“
Aufbau Verlag 2009

EVA STRITTMATTER…

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8. FEBRUAR 1930 – 04. JANUAR 2011

Wie eine Larve werfe ich
Einmal all meine Zweifel ab.
Dann will ich Ruhm.
Und sei es auch spät
und an meinem toten Grab.

ruhm hat sie geerntet und wird ihr auch noch nach ihrem tod zuteil werden.
aber sicher ist ihr im späteren leben wichtiger gewesen, ihren zweifel abzuwerfen, zu leben damit, dass jede auf sich selbst geworfen ist – bis zuletzt – und sie ganz diese person war, die sie selbst herausgeschält hat mit ihrem schreiben.

„Ich mach ein Lied aus Stille“ (1973)
„Mondschnee liegt auf den Wiesen“ (1975)
„Die eine Rose überwältigt alles“ (1977)
„Zwiegespräch“ (1980)
„Heliotrop“ (1983)
„Unterm wechselnden Licht“ (1990)
„Wildbirnenbaum“ (2009)

der einblick in eine menschliche seele kann nie ganz vollzogen werden. doch dass ihre seele tief war und tiefer als die der meisten menschen, davon sprechen ihre gedichte. sie stiess damit hier und da eine tür auf in den seelen der leserinnen und leser, was die millionenauflagen bezeugen.

in ihren ´briefen aus schulzenhof´ liess sie erkennen, dass ihr das leben neben ihrem bekannten mann nicht nur leicht gefallen ist, zeigt, wie eine symbiose, vom publikum bewundert und gelobt, auch risse haben kann.

über ihre gedichte hinaus wird sie mir noch lange anstoss sein, mich ihrem leben zuzuneigen, nicht zuletzt deshalb, weil ich glaube, aus gelebtem leben lernen zu können.

meine hochachtung
rosadora

TROPFEN FÜR TROPFEN…

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ich verstehe nicht gleich
was du sagst
die metaphern
der vergangenheit
haben ihre haken
sie treffen auf bilder
der heiterkeit
der oberflächlichkeit
der unwissenheit
auch des verdrängens

dieses vertrauen ins leben
dieses vertrauen in den tod
bis zuletzt
woher nahmst du
die zuversicht
woher nahmst du
diese unbändige kraft zum leben
in dir wuchs
alles was du brauchtes
alles was du geben konntest

der tod lies aus dir
einen brunnen werden
aus dem die menschen
hoffnungsvoll schöpfen
sie trinken das wasser
deiner inspirationen
sie reichen sie weiter
tropfen für tropfen
und lassen dich weiterleben
so

rosadora
für hilde domin

HILDE DOMIN – 27. JULI 1909…

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wie wenig nütze ich bin
ich hebe den finger
und hinterlasse
nicht den kleinsten strich
in der luft

die zeit verwischt
mein gesicht
sie hat schon begonnen
hinter meinen schritten im staub
wäscht regen die strasse blank

ich war hier
ich gehe vorüber ohne spur
die ulmen am weg winken
mir zu wie ich komme
grün blau goldener gruss
und vergessen mich
ehe ich vorbei bin

ich gehe vorüber –
aber ich lasse vielleicht
den kleinen ton meiner stimme
mein lachen und meine tränen
und auch den gruss
der bäume im abend
auf einem stückchen papier

und im vorbeigehn
ganz absichtslos
zünde ich die ein oder andere
laterne an
in den herzen am wegrand

hilde domin

sie liess einiges zurück – den ton ihrer stimme – ich höre ihn noch.
ihr lachen ging über auf die menschen, denen sie ihre texte las, obwohl es in ihren texten nicht allzuviel zu lachen gab. es waren ihre erregungen, ihr aufgebrachtsein, wenn nicht der richtige stuhl und tisch für sie dastanden – kein sesselchen, kein tischchen zum bequemen sitzen – die den menschen ein schmunzeln ablockten.
die lichter, die sie anzündete, absichtslos, wie sie sagte, brennen noch heute in den herzen der menschen.
und das erinnern, an eine kleine frau, die es sich vorgenommen hatte, der welt zu erzählen, vor allem den jungen menschen, wie es war und dass es nicht gut war wie es war und ihnen ans herz legte, daraus zu lernen und es besser zu machen.
alles im vorbeigehn…

DIE DREI LEBENSALTER…

gustav klimt

JUNGE FRAU
FRAU
WEISE ALTE

DIE DREI LEBENSALTER
kennen wir aus kunst und mythologie.

in der gr. mythologie sind es die DREI NORNEN, die leben schenken, es erhalten und wieder nehmen.

in der indischen mythologie
ist es shiva, der für Neubeginn steht, ebenso wie für Erhaltung und Zerstörung.

in der kunst ist das bekannteste beispiel
die drei lebensalter von gustav klimt.

es liesse sich noch vieles anführen.

wir durchlaufen sie, diese drei stationen.
im gesicht eines menschen wird sichtbar, wie er seine lebenszeit durchlebt hat,
ob er die möglichkeiten zu wachsen, auch innerlich, nutzen konnte.
eine harte, vielleicht nicht frei gewählt arbeit hinterlässt ebenso spuren, wie eine
geistige, die der eigenen seele platz gibt sich zu entfalten.

beim betrachten der bilder vonJESSYE NORMAN fielen mir diese drei phasen besonders auf.
ihre enorme zugewandheit zu ihrem gesang und die tiefe seelenarbeit zeigen sich in ihrer entwicklung. ihr gesicht spricht von all dem. diese seelenarbeit und ausgeprägte menschliche haltung lässt sie, so scheint mir, schöner und schöner werden,
im sinne von ausstrahlung.

als JUNGE FRAU kommt sie mir vor, wie ein ungeschliffener diamant. sicher waren da ihre guten gaben und anlagen schon vorhanden. ihr war bewusst, dass sie die nicht vergeuten
durfte und arbeitete und bemühte sich um vervollkommnung.

als FRAU kommt sie wild und ungebändigt daher. die anstrengung steht ihr im gesicht.

als WEISE ALTE frau ist sie angekommen in ihrem leben. ihr gesicht spricht von erfüllung, ist ausgeglichen und auf eine weise schön, das die menschen bewegt. mit ihrer ausstrahlung gibt sie eine energie, die auf ihr publikum überspringt.

LOUISE BOURGEOIS..

Ach…

siehe
´KLEINE SACHEN AUS BROT…´
unter der rubrik KUNST

LOUISE BOURGEOIS
sie schien mir unsterblich. mit ihren 98 jahren hatte sie die grenze zwischen leben und tod verwischt.
wären die nachrichten von ihrem tod nicht erschienen, gäbe es zwischen ihrem leben und ihrem sterben keine trennung.
ich verneige mich vor dieser grossen künstlerin und frau. sie war und ist für mich die eindrücklichste.
aus ihren allerprivatesten eindrücken von leben – ihres lebens – und tod schuf sie ihr überzeugendes werk.

arthur miller würdigte ihre
´EHRLICHKEIT GEGENÜBER IHREN TRÄUMEN, IHRER ALLERPRIVATESTEN VISION. DARIN LIEGT EINE SCHÖNHEIT DER INTENSITÄT, DIE SICH IHRER KUNST MITTEILT.´

sie war auf einigen documenten hier in kassel vertreten.
in bregenz war das ganze museum angefüllt mit ihren bildern und kunstwerken.
ihr wirken war so verschieden von denen anderer künstlerinnen und künstler.
sie brachten und bringen mich schier ´aus dem häuschen´,
so, wie sie es ebenso gewesen sein muss, als sie ihre kunstwelten schuf.

ein sehr schöner artikel erschien in der FAZ.NET

www.faz.net/…/ Doc~E2D7112F3E841439C9CAAA65C68BA06..

meine persönlichen eindrücke kann ich ob der betroffenheit jetzt nicht schildern.
vielleicht später.

‘KLEINE SACHEN AUS BROT…’ siehe unter KUNST 22.03.06

‚da hab ich angefangen, aus brot kleine sachen zu formen.’

LOUISE BOURGEOIS

bei den ‚kleinen sachen’ ist sie nicht geblieben. sie hat sich herausgewickelt aus dem pausenlosen reden des vaters, der sie nicht nur mit seinen worten verletzte. sie lenkte sich ab und formte diese ‚kleinen sachen aus brot’.
brot, dieses wichtig nahrungsmittel, wurde zu ihrem ersten baustoff.
aus ‚stoff’ waren auch die wandteppiche, die sie mit ihrer mutter ausbesserte. da war sie acht jahre alt.

bis zum heutigen tage verwendet sie das material ‚stoff’ immer mal wieder, näht ganze figuren mit der hand. handarbeit ist vieles bei ihr. von weich bis ganz hart sind die materialien, von stift und farben bis zu hammer und meisel. mit dem ‚zwingenden bedürfnis zu arbeiten’ dehnt sie ihr lebenswerk. die magische kraft, die ihrer kindheit noch immer innewohnt, gibt ihr genug anlass, immer weiter zu arbeiten, immer mehr ihr unterbewusstsein zu durchforschen und zu manipulieren, wie sie es nennt.

auffallend die immer grösser werdenden spinnen. in bilbao erlangt sie eine
höhe von 22 metern….

in bregenz ‚louise bourgeois drawings and sculpture ’ waren sie 7 meter hoch. auffallend die ‚zellen’, die im schutze der spinnen und ganz von ihnen umgeben ihren ‚raum’ haben.

die spinne – sinnbild für das muttertier, für das prinzip mutter, an deren stelle sie ihre mutter setzt, zu der sie eine enge und gute beziehung hatte, wie sie sagt – lässt unbedingt eigene interpretationen zu. so will sie es, die künstlerin, auch haben.
‚schau selbst, ich gebe keine erklärungen.’
ich sehe auch die verbindung zu ihr – die spinne ist nachtaktiv –louise bourgeois, deren ‘insomnia drawings’ in schlaflosennächten entstanden, kann man eine gewisse nächtliche regsamkeit nicht absprechen.

es ist mir beim betrachten und schauen von etwas inneres bedürfnis, mir selbst ein bild zu machen. zu meinem eigenen erfahrungshintergrund etwas neu erfahrenes hinzuzufügen, das nur ich so einbinden kann, das nur mir gehört. alles erklärte, alles fremdangeeignete hat für mich keinen wirklichen wert. ich höre mir gerne andere meinungen an, aber nur, wenn es die eigenen sind, nichts nachgeplappert wurde.

die spinne wird oft als symbol für die große mutter und als weberin des schicksals dargestellt. “alle mondgöttinnen sind spinnerinnen und weberinnen des schicksals, und die weltenspinne, die große spinne oder der große weber ist auch der schöpfer, der aus seiner eigenen substanz den lebensfaden spinnt, alle menschen über das band der nabelschnur an sich bindet und sie an das gewebe des modells der welt anbindet oder in dieses hinein verwebt.”

louise bourgeois sieht ihre mutter als diese weberin und spinnerin in ihrer tätigkeit des teppichausbesserns. sie flickte damit auch ihr schicksal in bestimmter weise zusammen, band sie durch die nabelschnur an sich, liess sie nicht los – ein leben lang. erst spät verwob sich das schicksal ihres künstlerischen tuns mit der welt. das, was bindet, hindert auch etwas anderes zu tun. aber warum hätte sie das tun sollen.

internationales interesse erweckte sie mit der “precious liquids”, dem begehbaren fass, auf der documenta in kassel 1992.

es zog mich in ihre ‚zelle’, die so einen ganz eigenen raum im trubel der ausstellung barg. immerhin war sie eine der wenigen frauen, denen man beachtung schenkte auf dieser weltausstellung.

auch auf der documenta XI – 2002 hatte sie, neben ihren ‘insomnia drawings’ und anderen werken, verschiedene zellen aufgestellt.

das rot erinnert an einen kardinal, an die rote göttin, an blut, also leben und tod. an eine, die von ihrer familie zurückgeblieben ist – ihr ganz nah – im leben und im sterben.

sie wiederholt ihre themen immer wieder und sublimiert somit ihr unbewusstes – eine der wenigen aussagen über ihr tun. ob lust und angst, die im unbewussten schlummern, immer so genau zu deuten sind, weiss ich nicht. vielleicht ist die nichtangst vor der spinne und das umgehen mit ihr auch noch eine gewisse zu bewältigende restangst – die angst vor der mutter, oder auch nur das unbehagen, das so viel nähe auslösen muss.

die grossen tiere wirken auf mich durch ihre grösse weniger beängstigend als die kleinen krabbeltiere, die so klein, wie sie oft sind, überall hinkriechen können, sich in öffnungen verstecken und dadurch unheimlich sind, weil ich ihre gegenwart nicht erkennen kann.
vor spinnen hatte ich noch nie angst, aber das birgt eine gewisse gefahr. auf madagaskar kletterte ich in einen verlies, wo mich aufgehängte riesenspinnen zum fotografieren reizten. sie gönnten mir diese kurze weile. dabei hatte ich das risiko nicht erkannt, in dem ich mich befand. es waren riesige giftspinnen.

louise bourgeois spinnen haben wenig lebendiges. sie sind eher wie architektonische bauwerke. ich stelle mich in ihr innerstes, um nachzuspüren, was es mit mir macht. ich muss zugeben, sie hielten mich fest. und zunächst war das kein unangenehmes gefühl. aber meine beziehung zu dem spinnentier war nicht so persönlich, dass ich mich nicht hätte befreien können
nach neugierigem und aushaltbarem erleben.

in bregenz überliess man ihr das ganze museum – 4 etagen. ich muss sagen, das war beeindruckend. einer über neunzigjährigen frau – wohlbemerkt ‚frau’- ein ganzes museum!!! es ‚ent – wickelt’ sich etwas in der kunstszene.

nach einführungen in ihre ‚insomnia drawings’ – einem vortrag von elisabeth pronfen – fand eine performence mit musikalischer untermalung im gebäude statt. mein erleben schlug purzelbäume, was sich darin ausdrückte, dass ich zwischen all dem auf der erde hockend und herumschleichend fotografierte, um einen kleinen eindruck im bild festzuhalten.
das werk so belebt, so von menschen umgeben zu erleben, war ein ereignis.

die vielseitigkeit des ausdruck, das unermüdliche schaffen, es begeistert mich und bringt mich zum nachdenken in einem. was muss sie noch alles verarbeiten. der satz, dass es in ihrer welt keine unschuld, keine kindheit, keine unverfälschten träume gibt, ist schon zu viel auslegung, als dass ich dieses bedeutende lebenswerk nur noch subjektiv betrachten und erfassen könnte.

‚ich habe angst vor allem, einfach vor allem’ zeigt das tiefe verletztsein louise bourgeois’ – und das durch ein langes leben, welches nun schon 94 jahre dauert und ihr keine ruhe lässt. arbeiten zu müssen und nicht aufhören zu können – fluch oder gnade. ich bin neugierig auf alles, was sie noch hervorbringt…

Der Beitrag wurde am Mittwoch 22. März 2006 um 14:47 veröffentlicht und wurde unter Alle Artikel, K U N S T abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare sind derzeit geschlossen, aber Du kannst einen Trackback auf deiner Seite einrichten. Beitrag bearbeiten.

GEBURTSTAG IM MAI…

geburtstag im mai
flieder verführt mich
zum schwur
ich bin ein atem
im mai

die blauen adernflüsse
wer nimmt ihre mündung wahr
welchen anteil
haben die sterne
an meinem traum

im maiglöckchenraum
dem störrischen stier geweiht

der widerspruch
steckt mir als angel
im blut

ROSE UND SCHMETTERLING…

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wenn das weisse morgenlächeln
über meinem kelche hängt,
und der frühluft leises fächeln
sich in meinem haar verfängt,
dass mein grüner körperstengel
sehnsuchtsschwer sich überneigt,
kommt ein schöner falterengel,
der mit mir zum himmel steigt.

meine duftige gewandung
wandelt er zum flügelkleid,
über tag und mittagsbrandung
schweben wir durch lose zeit.
und wir schaukeln, und wir strahlen
unsre seelen in die luft,
füllen alle blütenschalen:
er mit farbe, ich mit duft.

frühes gedicht (ca. 1943)

ZUM GEBURTSTAG VON ROSE AUSLÄNDER
geb. 11. mai 1901

ICH BIN JETZT ALT…

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ich bin jetzt alt.
du doch nicht.
darf ich nicht?
du wirkst nicht alt.
ist alt ein schimpfwort?
niemand will doch alt sein.
jetzt haben wirs. ich bin so alt, wie ich alt sein will, und jetzt will ich eben alt sein.
aber du siehst nicht so alt aus, wie dein jahrgang ist.
warum nagelt ihr andern uns immer mit jahreszahlen fest? tun wir das mit euch? sagen wir immer: ist das richtig, was du tust, für deine 42 jahre oder deine 37 1/2 oder deine noch nicht 20? ihr aber wisst genau, was wir tun sollen mit unsern über 70, über 80, nämlich vorsichtig sein, sich endlich im altersheim anmelden, nichts riskieren, pläne fallen lassen, da überflüssig.
offenbar kennen wir uns doch nicht genügend aus, deshalb haben die vereinten nationen 1999 zum jahr der älteren menschen erklärt. nicht der alten menschen, schande. um uns zu schonen? ich bin ein alter mensch, ich habe viele jahre gelebt, und ich habe keine ahnung, wie viel zeit ich noch auf diesem planeten verbringen werde.
macht dir das nicht angst?
weisst du es, wieviele jahre dir noch zum leben bleiben? nach der statistik natürlich viel mehr zeit als mir. aber dich beruhigt mein alter deinetwegen, es bedroht dich, du willst wissen, wie man damit umgeht, wenn grenzen sich nähern?
vielleicht ja. aber warum reagierst du so störrisch – das warst du schon immer – wenn ich feststelle, dass du jünger aussiehst, als du bist?
ja, ich weiss, du machst mir ein kompliment, willst mich trösten.
irgendetwas hast du doch angestellt? du bist heiter, so möchte ich auch alt werden..
aha, also ein vorbild sein? das passt mir nicht, will auch keine rezepte geben, so zum täglichen gebrauch.
keine auskünfte?
nein, ich mag nicht. will nicht mehr nützlich sein, mag keine informationen durchgeben über altersbefindlichkeiten.
jetzt kokettierst du aber.
zugegeben, es verändert sich manches im alter – wie hoffentlich auch im früheren leben sich stets etwas verändern müsste.
gut, ich werde einiges erzählen, das ärgerliche mit eingeschlossen.

aus:
LAURE WYSS
SCHUHWERK IM KOPF
texte, die für eine zeitungskolumne geschrieben, im radio gelesen oder in einer literarischen anthologie veröffentlicht wurden.