ALTE TÜCHER…

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… gedanklich greifen wir gerne zu alten tüchern – festen meinungen, an die wir uns lehnen wie an ein gerüst. wie alte tücher sind auch alte gedanken porös und brüchig. als menschen sind wir in einen fortgang eingebunden. so rasant er auch zu werden scheint, wir können uns ihm nicht entziehen. wir selbst treiben ihn an. immer schneller. immer spezieller. so weit, bis er uns einmal überholt und wir keine tücher und keine gedanken mehr brauchen – schon gar keine alten.

aus:
rosadora g. trümper tuschick
zeitlebens

B L A U E R H I M M E L . . .

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wieder ein beweis für die wandelbarkeit des wetters,
die uns fehlt, weshalb wir es behandeln, als wären
die ausbrüche und ausdrücke fataler irrtum.

die moderatorin erzählt den wetterbericht wie eine drohung,
viermal ´leider gottes´in fünf sätzen.
´leider gottes keine besserung in aussicht´, dabei gabs ein
paar regenwolken zu vermelden. und
´leider gottes immer noch viel zu warm´.
also, leider regen, leider viel zu warm, leider sonne –
und was wäre, wenn nur immer die sonne schiene?
nicht auszudenken – und die folgen.

also, heute zeigt sich der himmel in seinem blauesten blau,
und das im november. ein geschenk.
noch immer habe ich die heizung nicht eingeschaltet,
ja, ja weil es zum glück so milde temperaturen hat
einen monat vor weihnachten

und ein glück,
dass die menschen das wetter nicht beeinflussen können.

BUDDHA KOMMT ZU MIR…

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nicht krampfhaft suchen, aber schauen
nicht in besitz nehmen, kommen lassen
dem ort der freude und gelassenheit nachspüren
lächelnd zulassen was ist
nicht finden wollen
er wird mir gebracht
es ist liebe auf den ersten blick
der kopf harmonisch oval
die lockenpracht dezent und bis in den nacken
sein gesicht geheimnisvoll lächelnd

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die ohren bis auf die schultern
ein dicker und ein dünner reif um den hals
ein anderer um den körper
von der schulter unter dem rechten arm
ein sari über die linke körperhälfte
wunderbar in falten
die schmalen hände ineinandergelegt
die rechte zu oberst, die linke schützend
der rechte fuss über den linken geschlagen
auf einem wunderbaren ovalen lotuspodest sitzt er

er bereitet mir freude
er verbreitet ausgeglichenheit
er begleitet mich von nun an

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in der traumfabrik, wo ich vor einiger zeit den buddha und den gartenzwerg fand, wollte ich schauen, ob ich einen buddha für mich finde.
wie ich schon sagte, alles zu allgemein dekorativ.
als ich mit der dekorateurin redete, die beim letztenmal zeugin meines erkennens war, hatte die plötzlich eine idee. hier in der nähe ist ein kaktusladen, da habe ich solche buddhis stehen sehen.
ich fand ihn schliesslich, den ‚laden’, der für mich alles andere war als ein solcher. eine riesenkaktusfläche im freien, die mich denken liess, meine dekofreundin hat geträumt. doch es geht in ein inneres, wie ein gewächshaus, nur eben ganz anders. zwischen den kakteen tatsächlich hier und da ein buddha und andere figuren. ein ganesha, ein denker, ein schläfer – der liegt auf dem sofa mit einer katze und hört mich nicht. leise gehe ich zwischen kakteen und figüries, will mich hinausschleichen, weil ich nichts interessantes für mich sehe, da räkelt er sich, der schläfer, ganz verträumt in die höhe.
an dem gewächshaus noch anschliessende räume. der erwachte geht mit mir hinein. sagt, zur zeit haben wir nicht so viel, – buddhas meint er – ob noch welche kommen, er sei nur ein angestellter und wisse das nicht.
aus noch weiter sich anschliessenden räumlichkeiten ein mann, im hintergrund winkt noch eine frau, wohl auch im mittagsschlaf gestört. ich winke zurück.
alle freundlich, hören sich an, was ich suche, wie mein buddha aussehen soll – meine güte, als ob ich das so genau wissen würde.
ich hab um drei einen termin, es ist schon viertelnachdrei, aber die gelassenheit der menschen hält mich. ich sage, ich komme nochmal wieder.
da ruft die frau, sie hätte da vielleicht noch was für mich. sie habe ihn für sich ins regal zurückgestellt und sei schon mal irgendwo geklebt. aber ihr würde er sehr gut gefallen.
sie stellt ihn vor mir auf – er ist aus geschmeidigem speckstein. ich berühre ihn sanft an schultern und knien – es ist mein buddha. er lächelt mich an, ist wohl mit meiner wahl zufrieden und die frau sagt, ich habe ihn hervorgeholt, weil ich denke, dass der zu dir passt. ich sage, dass ich ihn möchte. und wir sind uns einig. der buddha geht mit mir.

ZWISCHEN BUDDHA UND GARTENZWERG…

etwas zwickte mich, als ich den buddha und den gartenzwerg
auf einer ebene in der ‚traumfabrik’ fand. ganz angeregt rief ich die dekorateurin und teilte ihr den grund meines schmunselns und meiner entdeckung mit. genau konnte ich es nicht benennen.
vielleicht war es die parallele, die mir dazu einfiel, dass die menschen, die sich einen buddha aufstellen irgendwie gleichzusetzen sind mit denen, die sich einen gartenzwerg in ihr beet stellen.
bei buddha, der immer, wie es scheint, mit geschlossenen augen dargestellt wird, sie aber immer halb geöffnet hat, geht es um das erwachen.
bei dem gartenzwerg, dem in den letzten jahren eine auferstehungsphase vergönnt war, der eine immer grössere metamorphose erfährt, fehlt dieses erwachen, bei allen wachhundeigenschaften, die er wohl auch hat.
vielleicht sind es talismane, vielleicht aber auch handelt es sich bei den menschen um die erfüllung einer freude, die ihnen diese gestalten schenken.
ich habe keinen buddha und hatte noch nie einen gartenzwerg. die fülle in den läden lässt mir die einmaligkeit fehlen, so in dem sinne, dass es nur mein buddha zu sein hat. doch es könnte ja auch sein, dass er, indem er bei vielen menschen einlass findet, auch eine möglichst grosse einkehr bewirkt.
also, ob buddha oder gartenzwerg – es kann nichts schaden sie nahe bei sich zu haben. mit einem buddha hab ich immer schon mal geliebäugelt.

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»erwachen, beachten, aufmerksam machen«

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Das Beten als Symbol für geistig-philosophische Fähigkeiten aber genauso als gesellschafts-verbindende, wie auch weltweit verstandene Geste wird mit einem Multiple dem Gartenzwerg zuerkannt

Beim gartenzwerg fiel mir spontan noch das lied ein:

will ich in mein gärtlein gehen
will ein bisschen jäten
steht ein bucklig männlein da
fängt gleich an zu beten

in wirklichkeit heisst es aber:
Will ich an mein Bänklein knie’n,
Will ein bischen beten,
Steht ein bucklig Männlein da,
Fängt gleich an zu reden:
„Liebes Kindlein, ach, ich bitt‘,
Bet‘ für’s bucklig Männlein mit“.
(aus: Des Knaben Wunderhorn)

SOMMERSONNENWENDE 2009

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mit dem begriff sommer verbindet sich die vorstellung von sonne und wärme, von imfreiensein und erdbeerenessen, von langen tagen und guter laune, von allen möglichen aktivitäten im feien, sportlichen als auch genussreichen.
diese vorstellungen werden eingeschränkt, wenn das wetter sich nicht sommerlich zeigt, und in diesem jahr ist das (wieder mal) so.
das gefühl für das übertreten einer schwelle, wie das bei den sonnenwenden aufkommen könnte, ist gedämpft. im kopf ist es und es muss sich bemühen, trotz fehlender wärme in den sommer zu springen.

die sonne erregt alles
macht alle sterne tanzen
wirst du nicht auch bewegt
so gehörst du nicht zum ganzen

angelus silesius

ich sage:
auf den mond treten
dass er singt
und dazu tanzen

aus: INS IMMER UNBEKANNTERE
rosadora g. trümper tuschick

die sonne ist nicht ohne mond zu denken.
sie gehören zum ganzen wie wir und die sterne.

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komm doch, lieber sommer…
das erwarten des sommers in winterklamotten

SEEROSENVERLIEBTHEIT…

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sicher hat monets-seerosenbild eine sommerlichere und farbenprächtigere ausstrahlung als dieses hier auf dem teich, dem lac.
aber dieser gemeinsame blick, meiner und der der seerosenblätter, der sonne entgegen, hat auch etwas einschmeichelndes, die sinne ansprechendes. der tag ist warm und die kühle des grüns und der blätterschatten haben darin einen guten platz.
einen moment bin ich ganz seerose und wünsche nichts mehr, als zwischen dem blattgrün mich zu entfalten. um mich herum ruhe und die sehnsucht eines sommertages erfüllt sich.